Die Mission
hätte die Feministin Ella fast gewürgt.
Sie spürte, wie die schrecklichen Augen sie studierten. Heydrich ließ langsam den Blick über ihren Körper gleiten. Sie hatte das sichere Gefühl, dass diesem Nazi das, was er sah, gefiel … mehr als gefiel. Die unverschämte Art und Weise, wie der Kerl sie anstarrte, veranlasste Ella, den Saum ihres kurzen Rocks an den langen Beinen ein wenig herunterzuziehen. Heydrich betrachtete sie mit seinen eiskalten Augen und verzog den Mundwinkel zu einem unmerklichen Lächeln. Wieder lief es ihr kalt über den Rücken. Der Mann … der Dupe … wie sie sich schleunigst wieder ins Gedächtnis zurückrief, hatte definitiv etwas Beängstigendes.
»Na schön. Da Sie keine reinrassige Schwarze sind, denn in der Tat hat Ihr Äußeres etwas von einem Mischling, bin ich bereit, mich mit Ihnen zu unterhalten. Darf ich den Namen meiner Befragerin erfahren?«
Ella warf Professor Bole einen Blick zu, worauf dieser nur zustimmend die Achseln hob. »Mein Name ist Ella Thomas.«
»Und Sie wollen Genforscherin werden?«
»Richtig.«
»Das wundert mich nicht, UnterWesen – also Menschen minderwertiger Rassen wie die Juden – haben eine besondere Vorliebe für die Vererbungslehre.« Er hielt inne, um genüsslich an seiner Zigarette zu ziehen, während er Ella im Auge behielt, so wie eine Katze die Maus.
Schließlich geruhte er fortzufahren. »Jawohl, ich kann es mir nur damit erklären, dass Sie besser verstehen wollen, warum ihre Rasse so viel minderwertiger ist als meine. Ich habe gehört, dass Selbsterkenntnis der beste Weg zur Besserung sein soll«, sagte er und grinste abschätzig. Offensichtlich fand er die Vorstellung lächerlich, dass Schwarze an sich arbeiten konnten. »Nun, was meine berufliche Laufbahn anbelangt, bin ich soeben zum Reichsprotektor von Böhmen und Mähren ernannt worden. Ich sehe dies als Zeichen dafür, dass der Führer mich und meine Talente zu schätzen weiß.«
»Adolf Hitler hält also große Stücke auf Sie?«
»Ich habe keineswegs die Absicht, die Gedankengänge des Führers mit einer wie Ihnen zu diskutieren, Miss Thomas, aber eines will ich Ihnen verraten: Ihre Frage ist selten dämlich. Ich habe sowohl dem Führer als auch meinem direkten Vorgesetzten, Reichsführer- SS Himmler, bis an die Grenzen meiner Kräfte gedient und kann nicht ohne Stolz behaupten, dass meine Anstrengungen außerordentlich zum Erfolg des Vaterlandes beigetragen haben, Ordnung in die minderwertigen Nationen der Welt zu bringen.«
»Und welcher Ihrer Erfolge hat Ihnen die größte Befriedigung verschafft, Herr Obergruppenführer?«, fragte Ella leicht verwirrt, wie zwanglos dieses Frage und Antwort Spiel mit jemandem verlief, der letzten Endes nur eine Computersimulation war.
Heydrich schnaubte verächtlich und zog arrogant an seiner Zigarette. »Ach, es waren so viele. Am Anfang meiner Karriere habe ich mir bei der Zerschlagung der Proteste einen Namen gemacht, die die Gegner des Nationalsozialismus während der Olympischen Spiele von Berlin 1936 geplant hatten. Später hat es mir einige Befriedigung verschafft, gewisse Dokumente zu fälschen, die die Bestie Josef Stalin am Vorabend des Krieges veranlassten, die meisten seiner fähigsten Armeeoffiziere umbringen zu lassen.«
»Heydrich spricht fließend Russisch«, raunte der Professor ihr zu.
»Sie halten den Mund, bis Sie angesprochen werden!«, fauchte Heydrich und schlug mit der Faust auf das hölzerne Rednerpult. Bei dem lauten Aufprall zuckte Ella erschrocken zusammen.
Mein Gott, wie haben die das nur programmiert?
»Außerdem bestehe ich darauf, dass ich mit meinen Titeln und meinem Rang angesprochen werde und nicht einfach mit ›Heydrich‹. Haben Sie verstanden?« Sein Blick glitt flackernd durch den Raum und blieb kurz an jedem Mitglied seines dreiköpfigen Publikums hängen. »Haben Sie alle verstanden?« Der Hass und die Verachtung hallten in jedem seiner Worte nach.
Inmitten des verblüfften Schweigens breitete sich eine fast glückselige Ruhe in Heydrichs Gesicht aus. »Nun, worüber hatten wir eben gesprochen, junges Fräulein? Ach ja, über meine Leistungen. Eine weitere war, dass ich die tschechischen Arbeiter dazu brachte, die Industrieproduktion wieder aufzunehmen, und sie für den Kampf gegen den Bolschewismus gewinnen konnte.« Ein selbstzufriedenes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Allerdings glaube ich, dass mein bleibendes Verdienst die Befreiung Europas von dem schädlichen Einfluss der
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