Die Mission
sie jetzt in den Straßen der Rookeries gestrandet, ohne Gig, ohne ein Zuhause und ohne den geringsten Schimmer, was sie als Nächstes machen sollte.
Na toll!
Jetzt steckte sie echt in der Scheiße.
Sie würde sich ihren Mantel zurückholen müssen, aber allein bei dem Gedanke, in die Nähe dieses durchgeknallten Burlesque Bandstand zu kommen, drehte sich ihr der Magen um. Wahrscheinlich würde er ihr eine Kugel durch den Kopf jagen, kaum dass er sie sah. Eine Sekunde hatte sie Lust, Norma Williams zu vergessen und sich vom Acker zu machen. Es hatte keinen Zweck. Am besten, sie schlich sich zu den Docks, sprang auf eine Barke, die nach NoirVille unterwegs war, und fand das Portal, das zurück in die Reale Welt führte. Fünf Millionen Dollar war eine Menge Geld, allerdings nicht, wenn sie für den Rest ihres Lebens in diesem digitalen Rattenloch gefangen wäre.
»Verzeihen Sie, Miss Thomas. Dürfte ich Sie einen Augenblick sprechen?«
Sie erkannte den Mann, der sie ansprach, wieder. Es war dieses langhaarige Individuum, das im Pub neben Burlesque Bandstand gesessen hatte. Der gut aussehende Kerl mit der Prellung im Gesicht und dem Funkeln in den Augen, bei dem man auf den Gedanken kam, dass er Dinge wusste, von denen andere keine Ahnung hatten. Derjenige, über den PINC nichts mitzuteilen hatte.
Ella versuchte verzweifelt, sich ihr Zittern nicht anmerken zu lassen, und warf dem Mann einen finsteren Blick zu. »Was kann ich für Sie tun, Mr. …?«
Der Mann lüftete seinen Zylinder und machte eine leicht übertriebene Verbeugung. »Oberst Vanka Iwanowitsch Maykow, zuletzt kommandierender Oberbefehlshaber des Fünften Infanterieregiments des ForthRight, zu Ihren Diensten.«
Ach ja, richtig .
Dieser Vanka Maykow war nie im Leben Soldat. Er sah nicht aus wie einer, der gern Befehle entgegennahm.
»Und vielleicht könnte eher ich etwas für Sie tun, Miss Thomas …« Der Mann hielt Ellas Mantel in die Höhe. »Ich glaube, den haben Sie in Ihrer verständlichen Eile, das Pig zu verlassen, liegenlassen.«
Ella musste gegen ihren Willen lachen. Sie nahm ihm den Mantel ab und schlüpfte hinein, dankbar für die Wärme. »Das war sehr nett von Ihnen, Oberst Maykow.«
»Mir wäre es lieber, wenn Sie mich Vanka nennen. Und als kleines Dankeschön wäre es nett von Ihnen, wenn Sie mir einige Minuten Ihrer Zeit schenken könnten. Ich würde Ihnen gern einen Job anbieten, Miss Thomas.«
»Von Jobangeboten habe ich heute Abend vorläufig genug, Vanka. Ich denke, Sie haben meine kleine Unterhaltung mit diesem Burlesque Bandstand mitbekommen. Zu dieser Art von Frauen gehöre ich nicht.«
»Oh, ich respektiere Ihre Haltung, Miss Thomas, und das, was ich Ihnen vorschlagen möchte, erfordert keineswegs etwas Ungehöriges von Ihnen.«
Er kam Ella einen Schritt näher. Zu nah. Sie steckte die Hand in die Innentasche ihres Mantels und umfasste die kleine Derringer.
»Halt, bleiben Sie stehen«, sagte sie. »Einen Schritt weiter, und ich schieße Sie über den Haufen.« Um ihrer Drohung Nachdruck zu verleihen, zog sie die Derringer aus der Tasche und fuchtelte drohend damit herum.
Der Mann blieb stehen und machte den halbherzigen Versuch, die Hände zu heben, um ihr zu zeigen, dass er unbewaffnet war. »Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt haben sollte, Miss Thomas, aber glauben Sie mir, ich habe nur ehrenwerte Absichten.«
Ein Dampfwagen ruckelte hupend an ihnen vorbei, und als der Mann in den Kegel des Scheinwerfers geriet, konnte Ella ihn besser betrachten. Er war groß, über eins achtzig – schlank und tadellos gekleidet. Ziemlich elegant. Und obwohl er ein bisschen zu alt für sie war – sie schätzte ihn auf Mitte zwanzig – und obendrein übel zugerichtet, sah er verdammt gut aus. Er war kein Anglo, dazu war sein Englisch viel zu gut, und aus seinem leichten Akzent folgerte Ella, dass er ein Russki war, ein gut aussehender Russki. Ella gefiel dieser verschmitzte Blick. Der Kerl war ein Filou, wenn sie nicht alles täuschte. Und Ella hatte eine Schwäche für Filous, selbst wenn sie die Erfindung eines Computers waren.
Nur der Schnurrbart war eine Schande. Na ja, niemand war vollkommen.
»Was kann ich für Sie tun, Vanka?«
Wieder dieses unverschämte Grinsen. Der Mann war ein echter Charmeur. »Wie gesagt, ich bin staatlich anerkanntes Medium und Okkultist und als solcher berechtigt, Séancen zu leiten, um einfachen Menschen die Gelegenheit zu geben, mit der Spirituellen Welt in Verbindung zu treten. Ich habe
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