Die Mission
nervösen – und manchmal auch tränenreichen – Leitung der Gouvernante fegten und wischten, schrubbten und polierten die Diener das Haus, bis es makellos sauber war und nach Bienenwachs und geschäftigem Treiben duftete. Niemals zuvor war Dashwood Manor so sauber gewesen, hatten die Holzböden so trügerisch geglänzt. Für Trixie war das Bemerkenswerteste an diesem vorweggenommenen Frühjahrsputz, dass die Dienerschaft angewiesen wurde, sämtliche Spiegel im Saal und im Salon abzuhängen.
Ihrem Vater entging ihre Verwunderung nicht. »Der Führer hat eine Abneigung gegen Spiegel. Er kann einfach nicht hineinsehen«, versuchte er ihr zu erklären. Doch das weckte ihre Neugier nur noch mehr.
»Warum denn?«
Ihr Vater zuckte die Achseln. »Wer weiß? Der Führer ist anders als wir Normalsterbliche. Vielleicht will er nicht sehen, was aus ihm geworden ist«, setzte er leise hinzu. Bei diesem Gedanken hielt der Kommissar einen Augenblick inne, dann beugte er sich noch mehr zu seiner Tochter vor. »Und vor dem, was aus Reinhard Heydrich geworden ist, müssen wir uns in Acht nehmen. Als meine Tochter wirst du dem Führer vorgestellt werden, Trixie, aber ob er sich dazu herablässt, ein Wort mit dir zu wechseln, ist zu bezweifeln. Sollte er es tun, dann musst du wie eine brave Tochter des ForthRight antworten. Du darfst ihm niemals widersprechen und musst deinen berühmten Sarkasmus vergessen. Du bist noch jung, Trixie, aber deine Jugend wird dir kein Schutz sein. Wer die Worte oder Taten des Führers in Zweifel zieht, gilt als Verräter. Und wenn man als Frau den Endsieg des ForthRight über die anderen Völker der Demi-Monde in Frage stellt, ist man schnell als HerEtikalistin abgestempelt.« Er machte eine Pause, als ginge er in Gedanken eine Liste durch. »Kennst du deine UnFunDaMentalistischen Gebote? Gut möglich, dass Heydrich dir befiehlt, sie aufzusagen. Der Kerl ist ziemlich pingelig, wenn es um Parteidogmen geht.«
Trixie nickte.
»Sehr gut.« Ihr Vater legte ihr die Hand auf die Schulter. »Und lass dich ja nicht mit deinem Itakersklaven blicken. Heydrich hasst die Rassen aus dem Medi fast genauso wie die Shades und nuJus.«
Obwohl man ihnen gesagt hatte, dass der Führer erst gegen Abend eintreffen würde, fuhr Heydrichs Kavalkade schon kurz nach ein Uhr mittags vor: die Mercedes-Dampflimousine des Führers inmitten einer Phalanx aus gepanzerten Kastenwagen voller SS -Männer.
Hauptmann Dabrowski hatte seine Kompanie in einer Ehrenformation vor dem Haus aufgestellt, doch die vier schwarz uniformierten SS -Leute, die aus der Limousine stiegen und über den sauber geharkten Kieselsteinweg zum Tor von Dashwood Manor marschierten, würdigten seine Männer und ihn keines Blickes. Trixie kannte sie alle. Sie waren oft auf der Vorderseite des Stürmers abgebildet. Alles Helden der Revolution. Der Stellvertretende Führer Kamerad Beria, Seine Heiligkeit Kamerad Crowley und Standartenführer Clement. Und natürlich der Kamerad Führer höchstpersönlich.
Trixie war fürchterlich aufgeregt, dass sie dem Führer leibhaftig begegnen würde. Alle Mitglieder der RightNixes – der Jugendbewegung des ForthRight – träumten davon, ihm ein Mal im Leben von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.
Sie versuchte, sich zu beruhigen. Der Führer war so unerwartet aufgetaucht, dass ihr Vater und sie herbeieilen mussten, um ihre Ehrengäste zu begrüßen. Jetzt aber stand sie da mit ihrem Blumenstrauß, in einem zugegeben steifen und mit blauen Valknuts bestickten Dirndl, denn die Partei sah es nicht gern, wenn Frauen der dekadenten Mode aus Paris folgten. Trixie hasste diese Bauerntracht, aber die Gouvernante hatte darauf bestanden.
Ihr Vater salutierte mit dem Parteigruß, rief den Parteischwur und verbeugte sich. »Guten Tag, mein Führer. Sie erweisen meinem Haus eine große Ehre.«
»Wo ist Ihre Uniform, Dashwood?«, herrschte ihn Heydrich an und nahm dann den Garten kritisch unter die Lupe. Offensichtlich begutachtete er die Verteidigungsanlagen. »Bei öffentlichen Veranstaltungen verlange ich von den Mitgliedern meiner Regierung, dass sie Uniform tragen. Mit der Uniform setzen wir ein Zeichen: dass wir alle aus einem Guss gemacht sind. Das zeigt mir nur, dass Sie Ihre Individualität über den Willen des Führers und der Partei gestellt haben.« Er schlug mit einer Reitgerte, die er immer bei sich hatte, gegen seine blank polierten Stiefel. »Eines Tages werden alle Männer im ForthRight verpflichtet sein,
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