Die Mission
eine Laune der Natur, Miss Williams. Ich verweise nicht nur auf mein Genie und meine Führungsqualitäten, sondern auch auf die Tatsache, dass ich der Einzige in der Demi-Monde bin, der die Leistungen des Originals kennt, dem ich nachempfunden wurde. Ich erinnere mich daran, wer und was ich war.«
Norma war alarmiert. Es war einfach, die Bewohner der Demi-Monde als ein Hirngespinst von ABBA s Quantenvorstellung abzutun, aber ganz was anderes, wenn die Hundesöhne einem plötzlich eröffneten, sie könnten sich an ihre frühere Existenz in der Realen Welt erinnern. Dass Reinhard Heydrichs Doppelgänger irgendwie über alles im Bilde zu sein schien, machte ihr Angst. Dieser Dreckskerl war schon schlimm genug, wenn sein böswilliges teuflisches Wirken auf die Demi-Monde begrenzt blieb, sollte es aber plötzlich so aussehen, als reichte sein Arm bis in die Reale Welt, dann …
»Woher wissen Sie das alles?«
Heydrich winkte lässig ab. »Wen interessiert das schon? Vielleicht ist meine Persönlichkeit – meine Willenskraft – einfach zu stark für ABBA .«
ABBA ? Der Hund wusste über ABBA Bescheid?
» ABBA ?«, wiederholte sie. Vielleicht sprach Heydrich ja nur über den Gott der Demi-Monde und nicht über den Computer, auf dem diese Simulation lief, in der sie gefangen war.
Heydrich schnippte die Asche seiner Zigarette achtlos auf den Teppich. »Stellen Sie sich nicht dumm, Miss Williams. ABBA ist eine leistungsstarke Differenzmaschine, die die Demi-Monde als Spielplatz entwickelt und erschaffen hat, damit das amerikanische Militär seine Soldaten ausbilden und seine lächerlichen Theorien über urbane Kriegsführung testen kann.«
Lieber Himmel!
»Na schön. Wenn Sie also über ABBA Bescheid wissen, dann müssten Sie auch wissen, dass Sie nur ein Programmierfehler sind, ein Geist in der Maschine. Was ist das für ein Gefühl, Heydrich, nicht mehr als der feuchte Traum eines Programmierers zu sein? Wie fühlt es sich an, wenn man mit einem einzigen Mausklick gelöscht werden kann?«
Heydrich zuckte die Achseln. »Ich fühle mich in der Demi-Monde genauso wie früher in der Realen Welt, es gibt keinen Unterschied. Cogito ergo sum . Ich denke, also bin ich. In beiden Realitäten hängt mein Dasein von einer Laune des Schicksals ab. Was macht es da schon für einen Unterschied, ob ich durch die Kugel eines tschechoslowakischen Terroristen oder die Laune eines Programmierers umkomme? In beiden Fällen wäre ich mausetot. Aber hier in der Demi-Monde bin ich eigentlich quicklebendig.« Er kicherte in sich hinein. »Und das bringt mich auf meine ursprüngliche Frage zurück: Wen interessiert das schon?«
Norma lächelte ihn sorglos an, als hätte das, was er sagte, wenig Gewicht. Auf keinen Fall sollte dieser Wahnsinnige merken, wie sehr er sie aus der Fassung gebracht hatte.
»Ihr Problem ist, dass Sie nicht verstehen können, wie es sich anfühlt, die Macht zu kosten und sie dann mit einem Mal zu verlieren, Miss Williams. Ich sitze hier und quäle mich mit dem Gedanken, was wäre gewesen, wenn? Wenn mich die tschechoslowakischen Terroristen nicht umgebracht hätten? Wenn ich noch da gewesen wäre, um die Zügel der Macht in die Hand zu nehmen, als Hitler schwach wurde und seine Willenskraft einbüßte? Wenn ich der Führer geworden wäre?«
»Man hätte Sie wie all die anderen Naziverbrecher in Nürnberg aufgeknüpft, das wäre gewesen.«
»Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.«
»Pech für Sie, Heydrich.«
»Sie werden mich gefälligst mit meinem Titel ansprechen.«
»Sie können mich mal.«
Eine Zeitlang herrschte gespannte Stille, während sich beide in die Augen sahen. Schließlich brach Heydrich das Schweigen. »Von mir aus. Nennen Sie mich, wie Sie wollen. Wir sind allein.«
»Na schön, dann will ich Ihnen sagen, was Sie sind. Eine computergesteuerte Schimäre. Ein Nichts. Ein digitales Hirngespinst. Und deshalb können Sie all Ihre psychotischen ›Was wäre wenn-Szenarien‹ nur hier in der Demi-Monde durchspielen. Genießen Sie es, solange es noch geht, denn eines Tages wird jemand in der Realen Welt den Stecker rausziehen, und Ihre miese kleine Welt wird einfach verschwinden.«
Heydrich lachte höhnisch. »Wie rührend! Glauben Sie wirklich, dass ein Mensch mit meiner Willenskraft, meinem Genie und meinem Ehrgeiz sich damit zufriedengeben würde, in einem … Nichts wie diesem eingesperrt zu sein? Meinen Sie wirklich, dass ich mich damit abfinden könnte, mein Leben – mein zweites Leben
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