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Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)

Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)

Titel: Die Mittagsfrau: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Franck
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ablehnende Antwort beschieden. Von Carls summa cum laude wäre er zwar beeindruckt, von Hegel dagegen weniger. Seine Assistentenstellen seien alle besetzt. An der Fasanenstraße blieb Helene stehen. Hinter ihr klingelte ein Fahrrad. Plötzlich glaubte sie, es könne Carl sein, der bei jedem Wetter fuhr. Sie drehte sich um, es war aber nur ein Bäckersjunge, dem die Straße zum Fahren wohl zu matschig erschien. Helene trat einen Schritt zur Seite, sie stellte sich auf einen kleinen Eishügel, dessen Ränder schmolzen, und ließ den Bäckersjungen vorbei. Die Räder spritzten ihr Schneeasche auf den Mantel. Nun stand noch die Antwort Cassirers aus. Schon im Januar hieß es, dass Carl in Berlin alle Türen offen stünden. Er konnte wählen, zwei Professoren rissen sich um ihn. Noch lieber aber wollte er einen eigenen Forschungsplatz aufbauen. Es hatte in den letzten Wochen nicht so ausgesehen, als warte er noch ernsthaft auf eine Antwort von diesem Cassirer aus Hamburg. Was konnte es sonst sein, das Carl so eilig erschien, weshalb er nicht bis zum Abend warten wollte? Vielleicht wollte er sie treffen, um den am Wochenende anstehenden Besuch bei seinen Eltern mit ihr zu besprechen? Sie fürchtete sich vor dem Besuch. Am Abend zuvor hatten sie sich fast gestritten. Helene hatte gesagt, sie könne nicht mit leeren Händen zu seinen Eltern, sie wolle ihnen ein Geschenk kaufen. Carl hatte das nicht richtig gefunden. Das Geld bräuchten sie dringend für andere Dinge, für Essen, Bücher und nicht zuletzt für das gemeinsame Leben, einen Umzug, eine richtige Wohnung. Helene wollte seinen Eltern eine kleine grüne Vase schenken, die sie bei Kronenberg vorn an der Ecke im Schaufenster gesehen hatte. Eine grüne Vase, hatte Carl ungläubig gefragt, und es hatte Helene so geschienen, als spotte er. Noch heute Morgen, als sie sich verabschiedeten, hatte Carl zu ihr gesagt, seine Eltern erwarteten kein Geschenk. Carl hatte sie geküsst. Seit Jahren seien sie neugierig, Helene endlich kennenzulernen. Schließlich wüssten die Eltern, dass sie nicht gerade reich waren. Carl hatte mit dem Rücken zu ihr seine Bücher zusammengesucht und für den nächsten Morgen bereitgelegt und dabei etwas gemurmelt. Was hast du gesagt? Das hatte Helene nachfragen müssen, und er hatte sich umgedreht und mit einem beiläufigen Tonfall gesagt: Sie wissen nur nicht, dass du bei mir wohnst. Helene hatte sich hinsetzen müssen. Es waren gut drei Jahre, die sie jetzt mit ihm in seiner Kammer lebte. Jeden Monat versuchte sie, von ihrem Geld soviel Essen wie nur möglich für den gemeinsamen Haushalt zu kaufen, wo doch Carl kein Geld für die Miete von ihr annehmen wollte, weil seine Eltern dafür aufkamen. Was sollte sie seinen Eltern also am Sonntag vorspielen? Dass sie noch bei ihrer Tante lebte?
    Carl hatte sie beruhigen wollen und ihr versichert, dass er es ihnen sagen wolle, an diesem Sonntag.
    Aber das war in Helenes Augen das Schlimmste. Er konnte unmöglich die langangekündigte Verlobte zum ersten Mal mit nach Hause bringen und während des Essens sagen, wir kennen uns erst vier Jahre und haben uns vor zwei Jahren die Ehe versprochen, aber wir wohnen übrigens schon mehr als drei Jahren zusammen. Helene rieb sich die Augen.
    Schau, du wolltest mich nie zu ihnen begleiten, wie hätte ich ihnen erklären sollen, dass du zwar mit mir lebst, sie aber nicht kennenlernen möchtest?
    Jetzt bin ich schuld?
    Nein, Helene, mit Schuld hat das nichts zu tun. Es wäre ihnen unhöflich erschienen. Wie hätte ich ihnen erklären sollen, dass du dich nicht traust?
    Helene hatte etwas erwidern wollen, es war ihr unangenehm, dass sie sich nicht traute. Sie hatte ihre Augen gerieben, bis Carl zu ihr kam und ihre Hände festgehalten hatte. Was glaubten seine Eltern, wer Carls Wäsche wusch und flickte, wer dafür sorgte, dass er am Abend ein warmes Essen bekam und die Wohnung belebte, die Spatzen auf dem Dachsims fütterte und die Orchidee in ihrem Glaskasten goss, während Carl jeden Sommer mit seinen Eltern in die Ferien über die Monti della Trinità an den Zürichsee fuhr, wo sein Vater an der Eidgenössischen Sternwarte seine Forschungen verfolgte, Zykloiden errechnete und Sonnenflecken kartographierte, während die Mutter mit ihrem Sohn Konzerte besuchte? Seine Schwester begleitete diese Reisen seit ihrer Heirat nicht mehr. Carl hatte Helenes Hände geküsst und ihr versichert, dass sie am Sonntag alles klären würden. Gemeinsam. Es wäre doch nur eine

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