Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)
Mund. Helene erschrak, sie spürte Marthas Zunge an ihren Lippen, die fordernd war, sie hatte sich nicht vorstellen können, wie rau und glatt Marthas Zunge auf ihren Lippen sein würde. Es kitzelte, fast musste Helene lachen, doch Marthas Zunge wurde fest und bedrängte Helenes Lippen, als suchte sie etwas. Die Zunge öffnete Helenes Lippen und stieß gegen ihre Zähne, Helene musste atmen, sie wollte Luft holen, sie öffnete die Lippen und schon füllte Marthas Zunge ihren Mund aus, ganz und gar. Helene spürte, wie sich Marthas Zunge in ihren Mund wühlte, sich hin und her bewegte, innen gegen die Wangen stieß und dabei ihre eigene Zunge schob und drängte, Helene dachte an den letzten Spaziergang zur Spree und wie Martha ihr befohlen hatte, einige Schritte hinter ihr und Arthur zu laufen, und bemerkte plötzlich, dass ihre Hand nun allein auf Marthas Brust lag und Marthas Hände sich längst in ihren Haaren bewegten und auf ihrem Rücken.
Sie waren zu der versteckten Mole hinter dem Weinberg gegangen, die man nur durch Weiden erreichen konnte. Der Boden war schwarz und glitschig. Komm, rief Martha einige Meter entfernt und lief mit Arthur voraus. Sie sprangen von Baumstumpf zu Baumstumpf, der Boden rutschte, gab nach, die nackten Füße sanken ein. Überall gluckste Wasser, das in kleinen Tümpeln stand. Schwärme winziger Mücken surrten. Hier in der Biege des Flusses hatte sich die Spree eine kleine Bucht geschaffen, ein Land, das nicht mehr fest war und von kaum einem Spaziergänger je betreten wurde. Sumpfdotterblumen blühten, wohin man sah. Der Kranz aus Gänseblümchen, den Martha für Helene auf der Wiese am Hang geflochten hatte, drohte Helene vom Kopf zu rutschen, sie hielt ihn mit einer Hand fest, mit der anderen hielt sie die Schuhe und hob das Kleid, damit es nicht schmutzig wurde. Es war schwer zu erkennen, wo der Boden fest war, immer wieder gab er nach, und so schnell sie auch liefen, die Zehenspitzen zuerst, waren die Füße doch bald bis zum Knöchel und zur Wade schwarz. Die schwertförmigen Blätter der Lilien schimmerten silbrig in der Sonne.
Arthur hatte hinter einer Weide einen Badeanzug angezogen und war als erster ins Wasser gerannt, hatte sich in die Strömung geworfen und ruderte wild mit den Armen, um sich nicht flussabwärts treiben zu lassen. Es sah aus, als bewegte er sich auf der Stelle. Der Wind fuhr durch das Schilf, es wogte und beugte sich zum Wasser hin. Im nächsten Augenblick blähte der Wind, die grüngelben Zweige, Halme stülpten Bäuche und verneigten sich. Das Rauschen brandete an Helenes Ohren. Obwohl Arthur immer wieder nach ihnen rief, konnte Martha sich nicht entschließen. Sie besaß keinen Badeanzug, im letzten Jahr war sie so schnell gewachsen, dass ihr der alte nicht mehr passte.
Wir lassen das Unterkleid an und gehen nur mit den Füßen ins Wasser.
Martha und Helene zogen ihre Kleider aus und hängten sie über den Ast einer niedrigen Weide. Das Wasser war eiskalt, die Kälte zog in den Waden. Als Arthur ans Ufer kam und sie nass spritzen wollte, flohen die Mädchen. Martha kreischte und lachte, sie rief ein ums andere Mal Helenes Namen. Arthur wollte sich mit Martha flussabwärts am Fuß des Hanges ins Gras legen, aber Martha fasste Helenes Hand und sagte, sie könne ohne ihre kleine Schwester nirgendwo hin. Womöglich gäbe es Grasflecken, wenn sie sich mit den Unterkleidern dort hinlegten. Arthur sagte, sie könne sich auf seine Jacke setzen, Martha lehnte das ab. Sie zeigte auf ihren Mund und ließ Arthur hören, wie laut ihre Zähne klapperten.
Ich wärme dich. Arthur legte seine Hände auf Marthas Arme, er wollte sie streicheln und reiben, aber Martha klapperte jetzt so laut mit den Zähnen, wie nur sie das konnte.
Arthur brachte Martha ihr Kleid. Er forderte sie auf, sich wieder anzuziehen, und Martha dankte ihm.
Später saßen die beiden Schwestern dicht aneinandergedrängt am Hang. Arthur hatte etwas oberhalb kleine Erdbeeren entdeckt und krabbelte nun auf allen vieren durch die Wiese. Von Zeit zu Zeit kam er zu den Mädchen, kniete sich vor Martha hin und reichte ihr auf einem Weinblatt eine Handvoll Beeren.
Kaum hatte er sich wieder entfernt, nahm Martha die Beeren und steckte abwechselnd Helene und sich selbst eine in den Mund. Sie ließen sich rückwärts ins Gras fallen und betrachteten die Wolken. Der Wind hatte sich um sie gelegt, nur einen zarten Hauch von Holz trug er vom Sägewerk zu ihnen herauf. Helene sog den Holzgeruch ein,
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