Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
Vom Netzwerk:
seinem Schwanz, und er zuckt und entwindet sich ihr, während Rita, Martin und Hans auf die Matratze fallen und Hans »Aua!« schreit.
    » Aua! Hörst du ihn?«, kichert Lydia. »Er hat sich den Pummel gebrochen!«
    » Pummel? Nicht Pimmel?«
    » Ja, Pummel!«
    Pimmel gebrochen? Hans und Pummel? Thomas lacht immer lauter, klappt in der Mitte zusammen und hockt nun vor Lydia. Sie starren sich an. Tiefe glänzende Augen und Lippen, lieber Gott, so volle, feuchte und sinnliche Lippen, und sie nehmen ihre Köpfe in die Handflächen und starren sich noch immer an. Es ist intensiv, als befänden sie sich auf einer einzigen flirrenden Linie. Nur sie beide. Alleine hier und im Universum und in der Natur und überall.
    »Zu viel Dope in der Pisse«, keucht Thomas.
    » Und Speed«, ächzt Lydia, die es auch erkennt.
    Sie starren sich an wie Standbilder, regelrecht versteinert und nackt und schwitzend, während ihre Herzen rasen und ihr Blut kreist und sie glauben, ihre Haare stünden in Flammen. Sie nehmen alles das hier ernst und nehmen es nicht ernst. Sie sind jeweils einer und jeweils zwei. Sie wollen ficken und wissen gleichermaßen, was geschehen ist, und dass es auch ein Morgen gibt.
    »Scheiße«, ächzt Thomas.
    Und Hans heult und ruft noch immer »Aua.«
    Rita jammert und macht sich von Martin los. Springt vornüber und schnappt sich ihre Kleidung, drückt sie vor den Körper und zeigt immerzu auf Martins beeindruckenden Ständer. »Der nicht, der nicht!«, kreischt sie und lacht und weint gleichzeitig.
    » Milch. Wir brauchen Milch«, stöhnt Hans, der Medizinstudent. »Milch hilft. Milch neutrali ..lalli ... siert« Sein Bauch wabbelt, während er hin und her hüpft. Er hat noch immer die weiße Unterhose an und der gelbe Fleck vorne macht ihn nicht reizvoller.
    Bier brauchen sie, denn sie sind maßlos durstig und Mineralwasser gibt es keines. Sind so durstig, dass sie alles trinken würden, was man ihnen vorsetzt.
    Hans findet keine Milch.
    Macht nichts. Ist halb so schlimm.
    Sie begegnen sich auf der Matratze. Sie drücken sich aneinander, ein Knäuel heißes Fleisch, nackt, bibbernd, heftig atmend, während Hans noch immer durch die Gegend läuft und Milch sucht und Martin sich aufrafft und das Fenster ganz aufreißt. Sie schütten Bier in sich hinein, was schwierig ist, denn sie kriegen kaum die Flaschen auf und Rita macht obszöne Bewegungen, als wolle sie ein letztes Beben des ursprünglichen Planes hervorrufen, was keiner komisch und schon gar nicht anregend findet, und Lydia zieht sich an, wobei sie Probleme mit den Hosenbeinen hat, die sich seltsam verknoten, während Rita sich verschämt hinter Kissen versteckt.
    Alle reden gleichzeitig, verharren, starren sich an - pumpender Herzschlag! – und reden wieder los, gleichzeitig und schweigen wie auf Kommando. Keiner hat den anderen gehört, jeder weiß es und alle kichern, auch gleichzeitig. Worte sind wie Gebilde, die sich auftürmen und unter neuen Redefiguren zerbröckeln wie Mauern im Sturm.
    Schnitt!
    Reden. Was ist los? Was meinst du?
    Schnitt!
    Lachen und sich fühlen.
    Schnitt!
    Und irgendwann Erschöpfung. Alles normalisiert sich. Müdigkeit kriecht in die Muskeln. Schweiß kühlt und man sieht sich an, eingeschüchtert, wartend, auf jeden Fall leert sich die Matratze. Thomas sitzt auf der Couch, Lydia hockt davor, Rita ist auf der zweiten Matratze, Hans neben ihr, aber in Entfernung, und Martin liegt auf dem Rücken, die Augen geschlossen.
    Die Platte läuft in der Leerrille, ein merkwürdig knallender, grausiger Ton. Der Tonarm hebt nicht ab. Macht er nicht immer. Es kommt auf die Auslaufrille an.
    Martin rappelt sich auf. »Muss Musik suchen«, sagt er. Nun lallt er. Nicht mehr bekifft, sondern betrunken oder beides. »Musik suchen.« Nackt krabbelt er zu seiner Schallplattensammlung, und während er sucht und Stille herrscht, schließt Thomas die Augen und fragt sich, ob diese grundlose Sinnlosigkeit alles gewesen sein soll, ein Wink der Zukunft vielleicht, was erschreckend wäre. Oder gibt es Alternativen? Noch nie hat er sich so sehr gewünscht, nüchtern zu sein, beneidete alle jene, die jetzt einen klaren Kopf haben und wissen, was sie wollen.
    Alternativen. Es wird Zeit, dass er sie findet.

15
     
    Das lästige an Autos ist, dass sie rosten. Auch Franks Granada, erst fünf Jahre alt, zeigt an den Radkästen erste Wundränder. Frank wischt mit dem nassen Schwamm darüber und ärgert sich. Noch zwei Jahre, und die Mühle fällt auseinander.

Weitere Kostenlose Bücher