Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)
Lieblingsthema Nummer zwei«, sagt Rita.
» Lass ihn reden«, sagt Thomas, dem genau danach zumute ist. Ist sowieso alles nur Gequatsche. Sie alle haben eigentlich viel zu wenig Erfahrung, um über das Thema mitzusprechen, vielleicht abgesehen von Thomas, der damit jedoch hinterm Berg hält. Und genau das macht es so spannend. Man will cool sein, etwas Hippie, etwas Make Love, not War , auch wenn die Zeit schon wieder vorbei ist. Sie sind Spätgeborene und haben Woodstock nur am Rande miterlebt. Nahe genug, um es zu verinnerlichen, zu weit entfernt, um dabei zu sein.
» Ist doch wahr«, sagt Martin. »Wir tun so, als wären wir die coolsten Säue des Universums, aber wenn es drauf ankommt, ziehen wir die Schwänze ein. Ich wette, Rita ist noch Jungfrau.«
» Ferkel.« Sie blickt nur kurz auf.
Der Joi nt kreist, er ist leicht gebaut. Martin wendet die Schallplatte. Dann setzt er sich vor seine Sammlung, es sind sicherlich dreihundert, und sucht.
» Was suchst du?«, fragt Thomas, dessen Hand sich auf Lydias Rücken befindet.
» Hab was Neues«, grunzt Martin.
» Was denn?«, fragt Thomas.
» Was Neues von ... verdammt, jetzt weiß ich es nicht mehr. Aber es fällt mir bestimmt wieder ein.« Er hockt vor den Schallplatten und starrt auf die Schriften, einige zieht er vor, schüttelt den Kopf und sucht weiter.
Man kennt das.
Schallplattensuchen kann eine abendfüllende Aufgabe sein, wenn man bekifft ist. Man will stets das Besondere auflegen, man sucht und weiß im selben Moment nicht mehr, was man eigentlich sucht. Und das ist auch egal, denn irgendwas landet sowieso auf dem Plattenteller.
Martin plumpst auf den Hintern und lässt sich den Joint reichen. Inhaliert, hält inne, atmet aus und reicht ihn an Lydia weiter.
Alan Parson ist zu Ende und es wird Zeit, ihn abzulösen. Stille wirkt unheimlich. Man fühlt den Qualm und den Rauch und die Dämmerung.
» Gib mal ’n Bier rüber«, sagt Thomas. Hans gehorcht.
Rita spreizt die Beine. Man kennt sich gut genug. Jeder hat jeden schon in Badesachen gesehen und ein Slip ist auch nichts anderes, als ein Bikinihöschen.
Lydia seufzt, als Thomas’ Finger über ihr Rückgrat fahren, nun unter dem Shirt. Diese lästige Erektion will nicht verschwinden, im Gegenteil scheint das Dope sie noch zu verstärken. Ist jedes Mal anders mit Martins Zeug. Mal macht es einen geil, dann wieder träge und müde, dann wieder albern.
» Wie wär’s mit Alice Cooper?«, fragt Hans.
» Zu laut«, sagt Martin.
» Und ELO?«, fragt Thomas.
» Zu seicht«, sagt Martin.
» Tangerine Dream«, schlägt Lydia vor.
» Jau!«, sagt Martin und sucht noch immer.
Endlich findet er es und legt Encore auf. Entspannend und träge kommt die Musik daher und Thomas drückt seine Lippen auf Lydias Hals. Er kennt sie nun schon so lange, aber er sieht erst heute, wie sexy sie ist. Lydia tut so, als kriege sie nichts mit. Sie trinkt Bier und rülpst verhalten. Leere Flaschen kugeln über den Flokati. »Was soll das?«, murmelt sie.
» Hä?«, tut Thomas, als wisse er nicht, was sie meint.
» Ach, nix«, sagt sie, reckt den Hals und gurrt.
Martin schiebt sich zu Rita rüber, noch immer auf den Knien und legt seine Wange auf ihren Oberschenkel. Rita kichert und er blickt nach oben wie ein treuer Hund. Hans gluckst und zerzaust Martins blonde Haare. »Gib mir deinen Körper«, grunzt Martin mit verstellter Stimme.
Thomas spürt den Ernst hinter den Worten, doch Rita spürt es nicht und falls doch, zeigt sie es nicht. Sie klappt die Schenkel zusammen und Martins Kopf ruckt hoch.
»Wie lange kennen wir uns eigentlich?«, fragt er.
Sie bestätigen sich die Jahre.
»Keiner von uns hat einen Freund oder eine Freundin«, sagt Martin.
Erneut bestätigen alle.
»Ich finde, Rita sollte einen Strip machen«, sagt er, steht auf, schwankt leicht und lässt sich auf die Matratze fallen. »Ist genau die richtige Musik dafür. Tangerine Dream. Haben sogar mal Musik für Pornos gemacht, glaube ich. Oder war das dieser Klaus Schulze? Ist ja auch egal. Klingen sowieso alle gleich.«
» Du spinnst ja«, sagt Rita und wird knallrot.
» Warum?«, fragt Hans scheinheilig. »Kannst dich doch sehen lassen.«
» Wenn du dich traust, mache ich mit«, sagte Lydia und löst sich von Thomas.
Mit einem Mal sind alle hellwach.
Rita und Lydia wollen strippen?
Die Synthies säuseln und der Moog untermalt alles mit einem dumpfen pochenden Bass, der genau zwischen die Beine zielt.
Thomas und Hans springen auf. Sie
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