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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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ein Flöz. Richard Prenzel, zwanzig Jahre und auch unter Tage, bringt seinem Vater eine weitere Flasche. Der Junge trinkt genauso hart wie der Alte. Frank blickt kurz hin, dann widmet er sich wieder seinem Auto. Heute wird er die Fenster von innen putzen. Klebrige Schmiere, der einem die Sicht nimmt, als wäre man nicht schon blind genug.
    Er schreckt hoch, als Heinz Prenzel laut wird und seinen Sohn anschreit. Frank stützt sich auf die Motorhaube und Schaum fließt über seine Handgelenke. Es duftet nach Seife und nach verbranntem Reisig, Gartenabfälle, Baum- und Heckenschnitt, die hinter den Häusern angezündet werden.
    » Man sollte dir die große Schnauze polieren, du Gammler!«, schreit Heinz Prenzel. Noch nie hat Frank seinen Nachbarn so zornig erlebt, nicht mal, wenn die Tauben wieder zu spät in den Schlag kommen.
    Richard flüstert etwas, und Frank sieht, dass der Junge die Hände zu Fäusten ballt.
    Es ist überall dasselbe, denkt er. Die Generationen verstehen sich nicht mehr, sprechen unterschiedliche Sprachen.
    » Du lässt die Finger von den Taubens, wenn ich dich das sage, is das klar?«, brüllt Heinz Prenzel.
    » Kapier ich nich, Vadda«, gibt Richard zurück.
    Nun haben alle aufgehört, sich um die Autos zu kümmern und einer dreht die Bundesliga leiser. Jeder blickt zu den Männern, die sich streiten.
    »Macht mal halblang!«, ruft Krazcinski und tippt auf das Dach seines Capri, als handele es sich bei den Worten um ein blechernes Gesetz.
    » Halt du mal die Klappe, Kratsche!«, gibt Heinz Prenzel zurück und widmet sich sofort darauf wieder seinem Sohn. Und du mach’n Abflug, bevor ich dir die Schnauze polier!«
    Krazcinski hat einen Fehler begangen. Man mischt sich nicht ein, wenn Vater und Sohn Streit haben, auch wenn der Samstag noch so schön ist und die Sonne scheint. Da guckt man verstohlen hin und kümmert sich nicht drum.
    Frank hat Blei im Magen. So hat er noch nie mit Tom gesprochen. Das geht unter die Gürtellinie, egal, was Richard angestellt hat. So etwas heißt, vor allen Nachbarn zu bestätigen, dass man sein Kind schlägt, und davon hält Frank nichts. Die wenigen Ohrfeigen, die Tom sich gefangen hat, gab es von Lotte. Er selbst hebt seine Hand nicht gegen sein Fleisch und Blut. Wer jedoch so redet wie Prenzel, weiß, warum er das tut und hat eine Grenze überschritten, hinter der man sich verläuft.
    Er sieht genau hin und nimmt wahr, dass Vater und Sohn betrunken sind. Jetzt, da sie sich gegenüberstehen, merkt man das, denn beide schwanken leicht und haben Ränder unter den Augen.
    »Du bist ein spießiger Arsch«, sagt Richard und reckt das Kinn vor. Damit hätte der alte Prenzel vielleicht leben können, aber was der Junge dann macht, ist heftig. Er wirft die Bierflasche gegen Prenzels Auto, es macht boing!, und die Flasche zerschellt auf dem Kopfstein.
    Nun schweigt das Radio und alle starren gespannt.
    Hinter Frank ist Tom auf die Straße getreten. Er hält sich abseits, die Arme vor die Brust verschränkt, während seine Haare im Wind flattern.
    Blitzschnell holt der alte Prenzel aus und scheuert seinem Sohn eine und gleich noch eine hinterher. Das sind Schläge eines Bergmannes, der tausende Tonnen Kohle aus dem Stein gebrochen hat, Hammerschläge ins Gesicht des Jungen.
    Tom hinter Frank stöhnt.
    Frank überlegt, dazwischen zu gehen, aber Kraczinski ist schon auf dem Weg und Pollanke von gegenüber auch.
    Sie kommen zu spät, um das Unheil zu verhindern.
    Richard Prenzel hält sich die Wange, seine Augenbrauen bilden einen dunklen Strich und schließlich schießt seine Faust vor und trifft den Vater mitten ins Gesicht.
    Heinz Prenzel brüllt auf, stolpert über den Wassereimer, hält sich am Autodach fest und schon sind Vater und Sohn ineinander verkeilt und wälzen sich auf dem Boden. Fäuste wirbeln, es wird heftig gestöhnt und endlich sind Kraczinski und Pollanke da und ziehen die Streithähne auseinander. Jeder hält einen der beiden fest, die sich nun gegenüberstehen und angiften, ausspucken und über das Gesicht von Heinz Prenzel läuft Blut.
    » Ich will dich hier nie wieder sehen«, stößt der alte Prenzel aus.
    » Scheiß auf dich!«, gibt sein Sohn zurück und windet sich aus dem Griff von Pollanke. »Scheiß auf dich und alles.« Er dreht sich um und stapft davon. Niemand weiß, was zwischen den beiden vorgefallen ist, aber es muss dramatisch sein – oder sie sind besoffen und haben überreagiert, was auch keine Entschuldigung ist.
    Der alte Prenzel

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