Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)
sie mit Mike nicht teilen wollte. Mike schnauft und ist sich der Sinnlichkeit durchaus bewusst. Er ist müde und neugierig und er lässt geschehen, dass der Schwamm über seinem Bauch kreist, während Arndt etwas Wasser ablässt, damit man besser sehen kann, was geschieht. Eine schnelle geschickte Bewegung, mit der er den Stöpsel rauszieht und bald wieder einsetzt.
Und nun ahnt Mike, dass er über jenen einen Punkt hinaus ist, der ihm bleibt, um aufzustehen und sich freundlich zu verabschieden. Er hat seit Monaten keinen Sex gehabt, und solange er die Augen geschlossen hält, darf er sich in Illusionen wiegen. Seine Erektion ist stahlhart und die Spitze schaut aus dem Wasser.
Arndt sagt nichts, doch dann legt er den Schwamm weg und Finger umfassen Mikes Glied. Liebe Güte, was geschieht hier? Er will die Augen öffnen, will sich wehren, empört reagieren, doch die Berührung ist sachte und mädchenhaft sanft. Zu sanft, denn sie gleicht einem Wind, der mit seiner Eichel spielt und Mike bäumt den Unterleib hoch, bevor er es verhindern kann.
Noch immer befindet er sich in der Farbigkeit seiner Phantasie, doch jetzt beschließt er, dem ein Ende zu machen. Er will sehen, wozu er sich verleiten lässt. Arndt blickt ihn an und sein Gesicht ist weich und seine Augen glänzen voller Lust. Es ist nicht das Gesicht eines Mannes und nicht das einer Frau. Es ist das Gesicht der Verheißung. Und Mike unterwirft sich ihr. Denn zumindest die Verheißung ist weiblich.
Später, Mike hat sich in einen flauschigen Bademantel gewickelt, sitzen sie auf dem Sofa und trinken Sekt. Alles wirkt unwirklich sauber, bürgerlich und rein, und Mike staunt über die Lust, die er empfunden hat. Mehr, als jemals bei Marita, denn Arndts Liebkosungen waren von ungeahnter Qualität gewesen. Vielleicht weiß nur ein Mann, wie man als Mann berührt werden will.
Arndt verhält sich, als sei nichts geschehen und macht keine Annäherungen. Stattdessen schaltet er den Fernseher an, während er mit Watte und Jod Mikes Wunden versorgt und anschließend zupflastert.
Es ist der 26. September 1980 gegen Mitternacht. Und es gibt auf allen Sendern nur ein einziges Thema.
Bei der Explosion einer Bombe am Haupteingang des Münchner Oktoberfestes starben nach neuesten Schätzungen 13 Menschen und 200 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Der Anschlag, meint man, gelte als schwerster Terrorakt der deutschen Nachkriegsgeschichte. Man gehe davon aus, dass der Täter ein gewisser Gundolf Köhler gewesen sei, den man nur noch anhand seines Personalausweises identifizieren konnte. Insider wollen wissen, dass Köhler Kontakte zur erst im Januar verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann, einer Nazivereinigung, gehabt habe. Andere meinen, Köhler habe sich vor dem Anschlag über die bevorstehende Bundestagswahl geäußert, man könne doch einen Bombenanschlag in Bonn, Hamburg oder München verüben. Nach dem Anschlag »könnte man es den Linken in die Schuhe schieben, dann wird der Strauß gewählt.«
Keiner weiß Genaues, doch die Bilder sind grausam und Mike staunt, wie gelassen Arndt zur Mattscheibe schaut. Er mag tuntig wirken, aber er verfügt auch über eine harte Seite. Weiße Decken über den Toten. Verletzte auf Bahren. Sirenengeheul. Flackerndes Blaulicht. Hier ein Schuh, dort eine Plastiktüte. Blutlachen reflektieren das künstliche Licht. Norbert Hermann, Leiter der Wiesn-Wache gibt ein Interview. Die Kamera schwenkt schnell auf Franz-Josef Strauß, der nicht weit entfernt steht und seine Wahlkampftour unterbrochen hat, und wieder zurück. Die Tagesschau schaltet sich ein und Dagmar Berghoff liest sachlich, was geschehen ist.
»Mein Gott«, stößt Arndt hervor.
Mike nickt und sagt nichts. Das wäre ein guter Tag, um als Journalist oder Redakteur zu arbeiten. Immer neue Schlagzeilen und Recherchen. Er vermisst seinen Beruf.
Ein TV-Kommentator interviewt Beteiligte und hält verzweifelten Gesichtern das Mikrofon vor die Nase. Eine Frau schluchzt und bringt kein klares Wort raus. Die Kamera streift über diejenigen, die nicht oder kaum verletzt sind, und findet einen jungen Mann, schlaksig, mittellange Haare und runde John-Lennon-Brille.
Mike fährt hoch. »Oh nein«, stöhnt er.
Arndt sieht ihn an. Auch er trägt einen weichen Morgenmantel und hat soeben die Versorgung beendet. »Was ist los?«
» Den kenne ich«, sagt Mike. »Liebe Güte, hoffentlich ist ihm nichts passiert.«
» Sie hat einen Fuß ab«, schluchzt der junge Mann. Sanitäter
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