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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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    Soeben will sie berichten, als ihr der Atem stockt. Ein Mann kommt auf sie zu. Breite Schultern, braungebrannt und eindeutig sehr attraktiv. Bevor sie reagieren kann, ist er an ihrem Tisch und sie erkennt sofort, dass er nicht nüchtern ist. Ihr scheint, so war es in den letzten 5 Jahren stets. Er war besoffen und sie litt. Sie ließ es mit sich machen und seine blonde Studentin war ein willkommener Anlass, ihm den Laufpass zu geben.
    »Henry«, sagt sie und schämt sich für das Zittern in ihrer Stimme. Ihr sind die Blicke der anderen Gäste bewusst, vor allen Dingen die der Mädchen und Frauen. Mon dieu, dieser Mann kann saufen wie ein Loch, er ist und bleibt attraktiv. Keine geplatzten Äderchen im Gesicht, keine aufgeschwemmte Haut.
    Ohne zu fragen zieht er einen Stuhl heran und setzt sich rittlings darauf. Hugo holt schnaufend Luft, wartet jedoch ab.
    »Dein Neuer?«, fragt Henry Durand. Seine Stimme ist etwas schwer, aber es konnte die Trunkenheit schon immer gut verbergen.
    » Was willst du?«, fragt Madeleine. Sie schämt sich.
    » N'aie pas peur«, sagt er lässig.
    » Warum sollte ich Angst haben? Etwa vor dir?«, lügt sie.
    » Hattest du nicht immer Angst, mon chère? Angst vor mir, vor deiner Mutter, vor der Welt?« Seine Stimme ist warm und weich, was alles noch unheimlicher macht.
    » Was soll das?«, zischt sie.
    » Sind Sie ihr Neuer?«, fragt Henry erneut mit aufreizender Ruhe.
    Hugo wird rot, ja, das wird er tatsächlich, und am liebsten würde Madeleine aufspringen und ihm dafür eine knallen. Kein Wunder, dass er über Sartre doziert, während sie ihn bläst, dieser Jammerlappen. Sie weiß, dass sie ungerecht ist, aber eine Wut wächst in ihr, die sie lange nicht mehr erlebt hat. Was bildet Henry sich ein? Ist sie ein Gegenstand, den er hin und her schieben darf, wie es ihm beliebt?
    »Verschwinde ...«, sagt sie bemüht. Aber so, wie Henry stets weiß, was sie im Bett wünscht, weiß er auch, dass sie in diesem Moment kraftlos ist.
    Er lächelt sie aufreizend an. »Ich beobachte dich schon eine ganze Weile und zweimal war ich in einer deiner Vorlesungen, selbstverständlich ganz hinten versteckt. Ich wollte dich nicht nervös machen. Und ich habe erkannt, dass ich dich noch immer liebe.«
    Madeleine traut ihren Ohren nicht. Ist dieser Mann komplett verrückt geworden? Interessiert ihn nicht, dass mindestens fünfzehn Leute zuhören?
    Nein, tut es nicht!
    Genau das hat sie an ihm geliebt. Er kümmert sich nicht um andere Leute, sondern macht, was er will. Seine ruhige Sprechweise lässt die Situation wirken, als sei ein alter Freund zufällig vorbeigekommen und die anderen Gäste wenden sich endlich wieder ihren eigenen Gesprächen zu. Nichts ist bedrohlich, wenn man leise spricht, nicht wahr?
    »Hör auf, bitte hör auf, Henry«, sagt Madeleine. »Du bist an diesem Tisch nicht erwünscht.«
    Henry lacht leise und wirkt unsagbar charmant. Er zieht spöttisch die Brauen hoch und antwortet: »Deine Mutter. Ich hörte, sie ist gestorben.«
    » Haben Sie nicht gehört, was Madeleine sagte?«, unterbricht Hugo.
    Henry nickt freundlich. »Ich bin nicht taub. Aber so ist sie, meine Maddi. Wenn sie nein sagt, könnte sie auch ja meinen und umgekehrt. Wissen Sie das nicht? Hören sie ... lassen Sie uns ein paar Minuten alleine reden. Bleiben Sie hier oder gehen Sie. Ein paar Minuten nur, und ich bin verschwunden.«
    Hugo schnappt nach Luft und lehnt sich zurück.
    »Dann mach es kurz«, sagt Madeleine.
    » Oui. Die Studentin war ein Fehler. Es tut mir leid und ich bereue es. Dich schlecht zu behandeln, war eine Sünde und ich bin untröstlich. Wir waren jung, als wir uns kennenlernten, und sind beide erwachsen geworden. Deshalb bitte ich dich, es noch einmal mit mir zu versuchen. Telefonate von mir unterbrichst du, Briefe lässt du unbeantwortet. Also bleibt mir nur dieser Weg, so unangenehm das für alle Seiten sein mag. Du glaubst, mich zu fürchten, aber in Wirklichkeit fürchtest du die Situation.«
    Madeleine lächelt gequält. Einerseits bewundert sie den Mann für seine Unverfrorenheit und beängstigende Ehrlichkeit, andererseits wünscht sie ihn zum Teufel.
    »Und was hat das mit meiner Mutter zu tun?«, fragt sie.
    » Was tust du ohne sie? Wie hast du das verkraftet?«
    » Willst du das hier und jetzt wirklich wissen?«
    » Wenn du mir die Zeit einer Cola schenkst, können wir darüber reden.«
    » Du bist angetrunken.«
    » Wie sonst hätte ich den Mut gefunden ...«
    » Du warst immer

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