Die Mitternachtsrose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
heiraten.”
Maja Albrektson sah ihn ungläubig an. “Das ist doch hoffentlich nicht dein Ernst!” Sie schüttelte den Kopf. “Nein, das kannst du nicht machen, dein Vater und ich, wir verlassen uns auf dich und …”
“Ich weiß, ich weiß!”, fiel Henrik ihr ins Wort. “Das hast du mir alles schon oft genug gesagt, und glaube mir: Ich verstehe, dass du dich sorgst. Aber es geht hier auch um mein Leben, siehst du das nicht? Matilda und ich passen nicht zusammen, wir empfinden nichts füreinander. Ich habe lange Zeit geglaubt, es könnte funktionieren, aber inzwischen weiß ich, dass ich mich getäuscht habe. Und darum werde ich sie nicht heiraten, ob du das nun gutheißt oder nicht. Ich hätte mir nur gewünscht, dass dich neben dem Familienbesitz auch die Gefühle deines Sohnes interessieren”, fügte er mit enttäuschter Stimme hinzu.
Kopfschüttelnd sank seine Mutter auf den Rand des großen Doppelbetts. Sie wirkte auf einmal viel älter als achtundfünfzig.
“Findest du die Vorstellung, Matilda zu heiraten, denn tatsächlich so unerträglich?”, fragte sie schließlich.
Henrik nickte. “Ich habe lange versucht, mir einzureden, dass ich es tun kann. Für euch und das Kind. Immerhin trage ich die Schuld daran, dass es ohne seinen Vater aufwachsen muss. Hätte ich mich an jenem Abend nicht mit Kristian gestritten …”
Unausgesprochen hing sein Selbstvorwurf in der Luft, doch Maja sah ihren Sohn eindringlich an. “Kristians Tod war ein Unfall. Er war betrunken, wie so oft, und verlor die Kontrolle über seinen Wagen. Du darfst dir dafür nicht die Verantwortung geben. Es war abzusehen, dass es früher oder später ein schlimmes Ende mit ihm nehmen würde.”
“Aber ich hätte ihm keine Vorwürfe machen dürfen! Ich war nur so schrecklich wütend, weil er immer wieder zu euch ging, wenn er in finanziellen Schwierigkeiten steckte, anstatt endlich seinen wilden Lebenswandel in den Griff zu bekommen.”
“Hör zu, Henrik, ich kann verstehen, dass es kein gutes Gefühl für dich ist, dass ihr im Streit auseinandergegangen seid. Aber deshalb ist es noch lange nicht deine Schuld, dass er gestorben ist. Kristian war ein schwacher Mensch, er hat nie gelernt, für etwas zu kämpfen. Wenn du schon jemandem die Verantwortung geben willst, dann uns, deinem Vater und mir. Er ist nach dem Tod deines Onkels immerhin bei uns aufgewachsen. Wären wir strenger zu ihm gewesen, könnte er heute vielleicht noch am Leben sein.” Sie wandte den Blick ab, doch Henrik sah, dass ihre Schultern bebten.
Ohne nachzudenken, tat er etwas, dass er zuletzt als kleiner Junge getan hatte: Er setzte sich zu seiner Mutter und umarmte sie.
Ein paar Minuten saßen sie einfach nur schweigend da, bis Maja Albrektson sich wieder im Griff hatte und sich aus der Umarmung ihres Sohns löste.
“Du musst Matilda natürlich nicht heiraten”, erklärte sie und lächelte – für Henrik ein ungewohnter Anblick. “Es war ein Fehler, dich zu etwas zu drängen, hinter dem du nicht wirklich stehst. Das Kind, das sie unter dem Herzen trägt, ist so oder so ein Albrektson – immerhin ist es Kristians Sohn. Alles andere ist unwichtig.”
“Und Vater?”
“Ich werde es ihm schon schonend beibringen, mach dir keine Gedanken. Im Grunde geht es ihm, genau wie mir, doch vor allem darum, dass du glücklich bist.” Fragend sah sie ihn an. “Wann willst du es ihr sagen? Du solltest nicht allzu lange damit warten.”
“Gleich heute nach dem Nachmittagskaffee, den Matilda für uns alle organisiert hat.”
“Das wird das Beste sein.” Maja zögerte. “Wenn du Hilfe brauchst …”
Er schüttelte den Kopf. “Nein. Das ist etwas, das ich ganz allein hinter mich bringen muss.”
Nervös zupfte Noelle an der hellblauen Bluse, die sie sich von einer Kollegin geliehen hatte, um beim Hereinbringen der Verlobungstorte eine einigermaßen präsentable Figur abzugeben. Sie wartete mit dem Servierwagen, auf dem die Verlobungstorte für Matilda Gunvaldsson und den Grafen Pilkvist stand, auf dem Korridor vor dem Blauen Salon. Ihre Kundin hatte sie gebeten, noch einen Moment vor der Tür zu warten, damit sie das große Ereignis ankündigen konnte. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wuchs Noelles innere Anspannung.
Inzwischen bereute sie ihre Zusage, die Torte persönlich in den Saal zu bringen, längst wieder. Sie stand nicht gern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Aber nun war es zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen. Und zu allem Überfluss
Weitere Kostenlose Bücher