Die Mitternachtsrose
«
» Danke «, schniefte sie.
» Ja, ich weiß, warum du so krank bist. Und deine Mutter hat mich geholt « , gestand ich. » Aber es war meine Entscheidung zu kommen. Ich habe vieles in England zurückgelassen, um hier bei dir zu sein, Indy. Du bist meine Freundin, und ich möchte versuchen, dir zu helfen. «
» Wie? « , fragte Indira und putzte sich die Nase. » Nicht einmal du mit deiner Klugheit und deiner besonderen Gabe kannst etwas daran ändern, dass ich in genau vier Monaten einen alten Mann heiraten werde, den ich nur zweimal gesehen habe, und dass ich den Rest meines Lebens in seiner zenana und seinem grässlichen, gottverlassenen Palast verbringen soll, wo nie jemand zu Besuch kommt. Da kann ich mich genauso gut hier in meinem Zuhause zum Sterben hinlegen. «
» Das ist doch nicht die ganze Wahrheit, oder? Du leidest, weil du einen anderen liebst. «
» Ja. Dass ich ein glückliches Leben mit Varun haben könnte, der nicht viel älter ist als ich und den ich liebe und begehre, macht die Vorstellung noch schlimmer. «
» Das kann ich verstehen « , sagte ich leise. » Ich weiß, wie es ist, wenn man liebt. «
» Ach. Ich wünschte, meine Eltern könnten es auch verstehen. «
» Indy, ich lasse uns jetzt etwas zu essen bringen – mir knurrt der Magen, auch wenn du keinen Hunger hast –, und dann musst du mir alles über deinen Prinzen erzählen. «
Ich klingelte und redete kurz mit einer Dienerin, die mit einem Nicken den Raum verließ.
» Steh auf und geh mit mir nach draußen, wo uns niemand belauschen kann. «
Indira erhob sich mit wackeligen Beinen, und ich half ihr auf die Veranda, wo wir uns auf bequemen Kissen niederließen.
Sie erzählte mir, wie es ihr und Varun gelungen war, einander in den vergangenen Jahren so oft wie möglich zu treffen. Während des Kriegs war es schwierig gewesen, doch in den letzten fünf Monaten hatte ihr älterer Bruder Raj Varun in den Palast eingeladen, und ihre Gefühle füreinander hatten sich noch verstärkt.
» Anni, wir wollen nicht ohne einander leben. «
Während sie redete, fütterte ich sie löffelweise mit Suppe – von meiner Arbeit im Krankenhaus wusste ich, dass Ablenkungsmanöver bei Patienten, die keinen Appetit hatten, oft Wunder wirkten. Schweren Herzens musste ich feststellen, dass Indiras Entschluss feststand und es keinen Sinn hatte, sie umstimmen zu wollen. Ich konnte nur zuhören und ihr helfen, wieder zu Kräften zu kommen. Ihr erbärmlicher Zustand war einer logischen Entscheidung nicht förderlich.
Letztlich konnte ich meine Freundin gut verstehen. Der Gedanke, dass sie einen Mann heiraten müsste, den sie nicht liebte, und den Rest ihrer Tage in parda und einer zenana verbringen würde, ließ mich schaudern.
» Das ist der Stand der Dinge « , schloss Indira, als sie mit ihrer Geschichte – und der Suppe – fertig war.
» Ich erinnere mich noch gut an den Tag auf dem Schiff, als du Varun zum ersten Mal gesehen und mir erklärt hast, dass das der Mann ist, den du einmal heiratest. «
» Ja, und das werde ich auch, weil ich muss! « Indira wandte sich mir zu. » Es tut so gut, mit jemandem zu reden, der meine Gefühle nachvollziehen kann. «
» Leider tue ich das tatsächlich. «
Indira schlang die Arme um mich und drückte mich. » Anni, es ist so schön, dich wiederzusehen. Ich hatte ganz vergessen, was für ein besonderer Mensch du bist. « Sie löste sich von mir, um mich anzusehen. » Du bist nicht nur attraktiver, sondern auch weiser geworden. « Sie nahm ein chapati -Fladenbrot vom Teller und riss ein Stück ab. » Dann willst du mich also nicht überreden, dass ich den alten Mann heirate? «
» Wie könnte ich das? « , fragte ich schmunzelnd. » Vergiss nicht: Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass es keinen Zweck hat, dich von etwas abbringen zu wollen. Es geht eher darum herauszufinden, wie du den Mann, den du liebst, heiraten kannst, ohne einen Bürgerkrieg zwischen zwei Prinzenstaaten heraufzubeschwören. «
Wir begannen zu kichern wie früher als Kinder.
» Meinst du, dass der alte Mann meinen Vater zu einem Duell im Morgengrauen herausfordern wird, wie es in England Sitte ist, weil er sich in seiner Ehre gekränkt fühlt? «
» Möglich. Doch ich finde, deiner Liebe zu Varun wegen sollte lieber niemand sterben. «
» Ja. « Endlich sah ich wieder das alte Leuchten in Indiras Augen. » Aber wie soll das gehen? «
Auch ich riss ein Stück Fladenbrot ab und überlegte. » Lässt du mich darüber
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