Die Mitternachtsrose
konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als seine Mutter ihn das erste Mal sah.
» Wie findest du ihn, Mutter? « , fragte Violet Maud, die sie inzwischen so nannte.
» Er ist nicht ganz das, was ich mir in jungen Jahren ausgesucht hätte « , erklärte Maud erstaunlich diplomatisch.
» Mir gefällt er sehr, Liebes « , sagte Sissy und setzte sich auf die frisch bezogene rote Chesterfieldcouch. » Das alte Gemäuer wirkt jetzt viel freundlicher. «
» Und du, Donald? « , fragte Violet ihren Verlobten. » Felle sind gerade sehr in Mode. «
» Ich finde ihn … bemerkenswert « , antwortete er genauso diplomatisch wie seine Mutter.
Der größte Teil der eigentlichen Baumaßnahmen sollte während der langen Flitterwochen stattfinden, die Donald und Violet nach der Hochzeit im April antreten würden. Als erster Halt war New York geplant, wo Donald in die Gesellschaft eingeführt werden sollte. Den Sommer wollten sie auf Violets Wunsch in Italien verbringen.
» Venedig wird schrecklich romantisch, nur du und ich « , seufzte Violet überglücklich.
So wie Donald Violet kannte, würden sie mit ziemlicher Sicherheit nicht allein sein. Sie hatte bereits Freunde erwähnt, die sich in der Nähe aufhielten. Donald, der dem hektischen gesellschaftlichen Leben noch nie viel hatte abgewinnen können, hoffte nur, dass Violet, sobald sie nach den Flitterwochen wieder in Astbury wären, etwas zur Ruhe käme. Doch je mehr Freunde aus London sie übers Wochenende besuchten, und je lauter das Haus von ihrem Lachen und der Musik aus dem Grammophon widerhallte, desto größer wurden Donalds Zweifel.
» Wir müssen mehr Bedienstete einstellen, Donny « , stellte Violet eines Februarmorgens fest, als der letzte Hausgast sich nach einem besonders ausgelassenen Wochenende verabschiedete. » Die, die wir haben, schaffen die Arbeit nicht. «
» Natürlich « , antwortete er und machte dann auf Glory einen Ausritt ins Moor, wo er sich an seinen Lieblingsplatz beim Bach setzte und in der kühlen Morgenluft fröstelnd überlegte, ob er je den Mut aufbringen würde, Violet irgendetwas abzuschlagen. Wie sollte er das auch, wenn sie für alles zahlte?
Weil es nach einer Weile zu kalt wurde zum Stillsitzen, stand Donald auf und lief auf und ab. Er fragte sich, wie viel von dem alten Astbury noch übrig wäre, wenn Violet damit fertig war. Momentan suchte sie moderne Kunstwerke aus. Am Morgen hatte sie ihm gestanden, dass ihr die Familienporträts, die neben der Treppe an der Wand hingen, nicht gefielen.
» Die sind so langweilig, Schatz! Ich kenne jede Menge moderne Künstler. Ihre Werke würden frischen Wind ins Haus bringen. Ich liebe Picasso « , hatte sie geschwärmt und die Arme um ihn geschlungen. » Das hab ich Pa gesagt. Vielleicht schenkt er uns ein Bild von ihm zur Hochzeit. Wär das nicht toll? «
Er hatte geschwiegen, weil er es für vernünftiger hielt, solche Diskussionen auf die Zeit nach den Flitterwochen zu verschieben, wenn das Haus fertig renoviert wäre.
Donald kickte missmutig gegen ein gefrorenes Büschel struppiges Gras. In den vergangenen beiden Wochen war er oft schweißgebadet mitten in der Nacht aufgewacht und hatte voller Panik über die Zukunft gegrübelt. Nur der Gedanke, dass Astbury für die nächsten Generationen gesichert wäre, hielt ihn aufrecht.Auch wenn er dafür permanent Violets Freunde ertragen musste.
Donald seufzte. Für die Rettung von Astbury schien er seine Seele verkauft zu haben. Doch er wusste, dass ihm keine andere Wahl blieb. Der Prozess war in Gang, und wie ein Zug, der sich selbstständig gemacht hat, entwickelte er eine Eigendynamik.
2. April
Morgen werde ich V heiraten. Der gesamte Haushalt befindet sich in einem Zustand nervöser Anspannung, und V eilt hin und her, um sicher zu sein, dass die Blumen auf dem Tisch im Ballsaal richtig arrangiert und die Frisuren der Brautjungfern genau so sind, wie sie sich das vorstellt. Gestern hat sie einen Wutanfall bekommen und die Tischkarten zurückgeschickt, weil ihr die Schrift nicht gefiel. Manchmal frage ich mich, ob ich ihren Ansprüchen genügen werde.
Donald beendete den Eintrag in seinem Tagebuch und stellte es zu den anderen Bänden ins Regal. Er hatte das Gefühl, dass es die einzige Möglichkeit war, sich offen zu äußern – mit wem sonst sollte er über seine Zukunftsängste reden? Er beobachtete, wie seine Mutter gelegentlich die Stirn runzelte über den ihrer Meinung nach vulgären Geschmack Violets. Da sie alles jedoch
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