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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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Besucherraum ließ er mich auf einen Stuhl fallen, auf dem ich mit gesenktem Kopf hockte, weil ich zu schwach war, ihn aufrecht zu halten, und es mich nicht interessierte, wer mich sehen wollte. Wenn diese neue Qual vorüber wäre, konnte ich endlich wieder ins Nichts eintauchen.
    Da hörte ich jemanden eintreten, und ein vertrauter Duft stieg mir in die Nase.
    » Anni? Anni, schau mich an. «
    Ich erkannte die Stimme. Da ich das Ganze jedoch für eine Halluzination hielt, hob ich den Kopf nicht.
    » Ich bin’s, Anni, Indira. Bitte zeig mir, dass du mich erkennst. «
    Fast hätte ich laut gelacht. Ich war mir sicher, dass meine Fantasie mir wieder einmal etwas vorgaukelte.
    » Anni « , flehte die Stimme ein drittes Mal. » Sieh mich an. «
    » Das bist nicht du « , flüsterte ich und zupfte an dem dünnen Baumwollstoff, der meine Knie bedeckte. » Sondern ein Trugbild … «
    Ich hörte Schritte auf mich zukommen und spürte, wie warme Hände die meinen ergriffen.
    » Anni, mach die Augen auf! Du träumst nicht, ich bin wirklich hier. Und bitte mach schnell, sonst glaub ich noch, dass du tatsächlich so verrückt bist, wie die behaupten. «
    Ich öffnete, immer noch ungläubig, die Augen.
    » Hallo, Anni. Siehst du? Ich bin da. Ja, ich bin’s! Bitte sag mir, dass du mich erkennst, Anni. «
    Ich nickte stumm.
    » Gott sei Dank. «
    Als sie die Arme um mich schlang, glaubte ich endlich, dass sie real war.
    » Mein Gott, Anni, wie schaust du nur aus « , flüsterte Indira und musterte mich mit Tränen in den Augen. » Aber jetzt bin ich da. Du musst dir keine Sorgen mehr machen. «
    » Wer hat es dir gesagt? « , flüsterte ich, als ich meine Stimme schließlich wiederfand.
    » Selina. Wir haben uns in Frankreich getroffen, kurz bevor sie die schreckliche Nachricht erhalten hat. Vor ungefähr einer Woche hat sie mich angerufen und mich und meine Familie um Hilfe gebeten. Es war ein Riesenglück, dass sie mich erwischt hat, weil wir gerade nach Indien zurückfahren wollten. Tja, und da bin ich. «
    » Wie lange … « Ich leckte mir über die trockenen Lippen. » Wie lange bin ich schon hier? «
    » Ich glaube, drei Wochen. Alles Weitere besprechen wir, sobald du hier raus bist. «
    » Nein, Indy. « Ich schüttelte traurig den Kopf. » Sie lassen mich nicht raus. Man beschuldigt mich des Mordes an Violet Astbury. Sie werden mich hängen, aber das ist mir egal. Moh … mein Sohn, ist tot. Donald auch. Ich will nicht mehr leben. «
    Sie bedachte mich mit einem strengen Blick. » Anahita Chavan, erinnerst du dich, dass ich dir genau diese Worte gesagt habe, als du damals zu mir nach Indien gekommen bist? «
    » Ja. «
    » Und jetzt werde ich dir helfen. «
    » Indy, das ist eine andere Situation. Moh und Donald leben nicht mehr. Ich will wirklich sterben. Bitte lass mich. «
    » Es ist tatsächlich eine Tragödie, aber ich kenne dich seit unserer Kindheit und habe miterlebt, wie du anderen – auch mir – immer wieder Kraft gegeben hast. Die musst du jetzt für dich selber finden. Du schaffst das, das weiß ich. «
    » Danke, Indy. Trotzdem ist es zwecklos. Sie werden mich zum Tod verurteilen. «
    » Es wird keine Verhandlung geben. Die Anklage ist fallen gelassen worden. Ich bringe dich nach Hause. «
    Ich sah sie verständnislos an. » In das Cottage am Bach lassen sie mich bestimmt nicht zurück. «
    » Nein, Anni, ich bringe dich heim, nach Indien. «
    Auch meine Erinnerung an die Entlassung aus Holloway und die Ankunft in Indiras Haus in Knightsbridge, das ich aus der Kindheit kannte, ist verschwommen. Im Gedächtnis geblieben ist mir allerdings das weiche Gefühl jener Tage – die sanften Hände, die Daunenkissen und die leisen Stimmen. Ich hörte keine gequälten Schreie mehr, nur noch Stille, und schlief die ganze Zeit – so heilt die Natur Körper und Geist.
    Ich weiß noch, dass Indira mich jedes Mal, wenn ich aufwachte, sanft dazu überredete, den Mund aufzumachen, so dass sie mich mit Brühe füttern konnte. Sie säuberte und versorgte die Wunden, die meinen Leib nach Wochen im Schmutz bedeckten. Dabei erzählte sie mir amüsante Begebenheiten aus unserer Kindheit und fragte mich, ob ich mich noch erinnere, wie sie vor unserer Abreise ins englische Internat bei Pretty im Elefantenstall geschlafen habe, oder an den Abend, als wir Miss Reid auf dem Schiff hinters Licht führten, damit Indira mit dem pfirsichfarbenen Chiffonkleid das Herz ihres Prinzen erobern konnte.
    Ich lauschte ihr stumm.
    Im Rückblick

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