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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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fremd in Mumbai.
    Im Tempel zog er die Schuhe aus und verrichtete all die Rituale der Andacht und des Gebets, die er einst ohne nachzudenken ausgeführt hatte, die ihm inzwischen jedoch fremd geworden waren. Ari opferte nicht wie bei den wenigen Tempelbesuchen der vergangenen Jahre Lakshmi, der Göttin von Glück und Wohlstand, sondern Pavarti, der Göttin der Liebe und Treue, und Vishnu, dem allmächtigen Beschützer und Bewahrer. Er bat um Vergebung, besonders dafür, dass er sich von seinen Eltern distanziert hatte. Und er betete, dass Lali zu ihm zurückkehren möge.
    Als Ari, nun ein wenig ruhiger, nach Hause kam, rief er seine Eltern an. Es meldete sich seine Mutter.
    » Hallo, Ma. Ich… «
    » Was ist los, Ari? «
    Dass sie seine Niedergeschlagenheit sofort bemerkt hatte, brachte ihn zum Weinen, und er flehte sie, seinen Vater und seine Geschwister um Vergebung an. » Es tut mir so leid, Ma « , schluchzte er.
    » Mein Sohn, mir bricht es fast das Herz, dich so zu hören. Hat Lali dir das deine gebrochen? «
    » Woher weißt du das, Ma? «
    » Hat sie dir nicht erzählt, dass sie uns vor zwei Wochen besucht hat? «
    » Nein. «
    » Verstehe. «
    » Was hat sie gesagt, Ma? «
    » Dass sie… « , Ari hörte Samina seufzen, » …nicht mehr länger warten will, bis du dich endlich zu ihr bekennst. Sie ist sich jetzt sicher, dass du sie nicht genug liebst, und hält es deshalb für das Beste, dich freizugeben. Du weißt ja, wie sehr sie sich eine Familie wünscht, pyara. «
    » Ja. Bitte glaube mir, Ma, ich liebe sie. Sie fehlt mir… Ich möchte, dass sie zu mir zurückkommt. Wenn du wissen solltest, wo sie ist, sag ihr das bitte von mir. Ich… « Ari versagte die Stimme.
    » Mein Sohn, sie wird nicht mehr zu dir zurückkommen. «
    » Warum nicht? « Ari merkte, dass er klang wie ein verwöhntes Kind, dem man das Lieblingsspielzeug weggenommen hat.
    » Tut mir leid, dass ausgerechnet ich dir das sagen muss, aber ich denke, du solltest es erfahren. Du erinnerst dich sicher, dass ihre Eltern eine Ehe für sie arrangiert hatten, gegen die sie sich gewehrt hat, als sie dich kennenlernte. «
    » Ja. Irgendein Cousin aus der Nähe von Kolkata, glaube ich. Ein Bauer, viel älter als sie. Lali hat behauptet, sie könnte ihn nicht ausstehen. «
    » Möglich « , sagte Samina. » Trotzdem hat sie ihn gestern geheiratet. «
    Ari verschlug es die Sprache.
    » Ari, bist du noch dran? «
    » Ja « , presste Ari hervor. » Warum? Ich verstehe nicht… «
    » Ich schon « , erwiderte seine Mutter mit leiser Stimme. » Lali ist fast dreißig und hat keinen Beruf, mit dem sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen könnte. Und ihre Eltern sind zu arm für eine Mitgift. Bei diesem älteren Mann hat sie den Rest ihres Lebens zumindest finanziell ausgesorgt. «
    » Was?! « Ari traute seinen Ohren nicht. » Ma, bei mir hätte sie sich auch keine Sorgen machen müssen! Möglicherweise habe ich ihr nicht genug Zeit gewidmet, aber über Geldmangel konnte sie sich nie beklagen. «
    » Sie hätte sich etwas anderes gewünscht. Wie die meisten indischen Frauen. «
    » Du meinst die Ehe? « , stöhnte Ari.
    » Ja. Lali hat das ganz richtig erkannt: Wenn du ihrer müde geworden wärst, hättest du sie ohne einen Cent auf die Straße setzen können. Als deine Geliebte hatte sie keinerlei Rechte, keinen Status und kein Geld… und all das ist sehr, sehr wichtig. «
    » Wenn sie bloß mit mir darüber geredet hätte. « Ari biss sich auf die Lippe.
    » Soweit ich weiß, hat sie das oft genug. « Samina seufzte. » Sie sagt, du hättest ihr nicht zugehört. Ihr einziges Kapital sind ihre Jugend und Schönheit. Ihr läuft die Zeit davon. «
    » Das war mir nicht klar. Bitte, Ma, glaub mir das. «
    » Sie war zu stolz, dich anzubetteln. «
    » Ma, was soll ich jetzt machen? « , fragte er verzweifelt.
    » Noch einmal von vorn anfangen? « , schlug Samina vor. » Vielleicht hast du daraus ja etwas gelernt. Lali ist jedenfalls weg. «
    » Ich muss jetzt aufhören. Die Arbeit… «
    » Melde dich… « , hörte er seine Mutter noch sagen, als er das Gespräch beendete.
    Am nächsten Tag ging Ari zum ersten Mal in seinem Leben nicht ins Büro und teilte Dhiren, seinem neuen Verkaufsleiter, mit, dass er Fieber habe. Die folgenden Tage stand er nur zum Essen, Trinken und Pinkeln vom Bett auf. Sämtliche Energie schien aus ihm gewichen zu sein, und wenn er sich im Spiegel betrachtete, wirkte er blass und irgendwie kleiner– als hätte er einen Teil

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