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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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hoch beladene, von schweißnassen Ochsen gezogene Karren, Automobile und Elefanten. Arm und Reich war unterwegs zum Krönungspark.
    Jeder Maharadscha hatte sein eigenes Zeltlager, jeweils ein kleines Dorf mit Wasser- und Stromversorgung. Als wir in unserem Lager ankamen, sah ich mit großen Augen die elegant eingerichteten Frauenbereiche.
    » Es gibt sogar eine Badewanne « , rief ich Jameera begeistert zu.
    Jameera, die sich nach der langen Reise erschöpft fühlte, war weniger beeindruckt als ich.
    » Wo ist meine Kiste mit den Opfergaben? « , herrschte sie die Dienerinnen an, die die unzähligen Schrankkoffer auspackten. » Die Laken kratzen! « , jammerte sie. » Bezieht das Bett neu! «
    Ich ließ mich nicht von Jameeras schlechter Laune anstecken. Sobald ich ihren Dienerinnen beim Auspacken geholfen hatte und sie sich im Bad von ihnen verwöhnen ließ, ging ich auf Erkundung. Der Nachthimmel über den gepflegten Gärten um unser Lager wurde von einem Feuerwerk im weitläufigen Park erhellt; der beißende Rauch vermischte sich mit dem Geruch von Räucherstäbchen, und von fern hörte ich das Trompeten von Elefanten und Sitarklänge.
    Ich empfand einen Augenblick reiner Freude. Alle Prinzen Indiens waren hier auf wenigen Quadratkilometern versammelt, die angesehensten, mächtigsten und gelehrtesten Menschen des Landes. Und ich, Anahita Chavan, war mittendrin.
    Ich hob den Blick zum Himmel, um mit meinem Vater zu sprechen.
    » Ich bin hier, Vater « , teilte ich ihm voller Stolz mit.
    Natürlich erzeugt ein solches Treffen der Großen auf so engem Raum Konkurrenz. Jeder Maharadscha strebte danach, das prächtigste Lager, das größte Gefolge, die meisten Elefanten zu haben und die schönsten Feste und Abendeinladungen zu geben. Der Wert der Rubine, Diamanten, Smaragde und Perlen, die die Prinzen und ihre Frauen schmückten, hätten bestimmt gereicht, die ganze Welt zu kaufen, dachte ich, während ich Jameera beim Ankleiden für das erste Bankett ihrer Eltern in unserem Lager half. Überall herrschte höchste Aufregung.
    » Heute Abend kommen achtzehn Prinzen und ihre Maharanis! « , erklärte Jameera, die versuchte, ein Goldarmband über ihre feisten Finger zu schieben. » Maaji sagt, dass der Vater des Prinzen, dem ich versprochen bin, da sein wird. Du musst mir helfen, einen guten Eindruck zu machen. «
    » Natürlich « , versprach ich.
    Am Ende entfernten sich die vier Frauen des Maharadschas und ihre ersten Dienerinnen, um hinter einem parda -Wandschirm sitzend ihre Ehemänner und deren männliche Gäste bei dem großen Empfang vor dem Bankett zu beobachten. Wir anderen atmeten erleichtert auf, als alle weg waren, und bereiteten uns auf das unmittelbar bevorstehende Eintreffen der Frauen und Kinder vor, die getrennt von den Männern mit uns in der zenana speisen würden.
    Später am Abend wimmelte es in unserem Empfangsbereich von weiblichen Gästen und ihren Sprösslingen. Mit großen Augen verfolgte ich, wie die Frauen der anderen Maharadschas von unseren Maharanis begrüßt wurden. Auf ein elfjähriges Kind wie mich wirkten diese Frauen mit ihren Salben, Düften, feinen Hennamustern, vogeleiergroßen Perlen um den Hals, ihrem glitzernden Kopfschmuck mit Rubinen, Smaragden und wertvollen Diamantnasensteckern wie aus einem Märchen. Ihre Kinder waren genauso prächtig ausgestattet– schon dreijährige Jungen und Mädchen trugen echten Goldschmuck, juwelenbesetzte Knöchelkettchen und filigrane Halsketten.
    Ich weiß noch, dass der Prunk, den die Anwesenden für selbstverständlich hielten, während ich schon so viel Armut und Hunger in unserem Land gesehen hatte, mich gleichermaßen beeindruckte und verunsicherte.
    Trotzdem betrachtete ich das Schauspiel mit ehrfürchtigem Staunen.
    Bei dieser Zusammenkunft erfüllte sich die Vorhersage meines Geburtsastrologen. Für gewöhnlich erkennt man zukunftsträchtige, alles verändernde Momente des Lebens erst einmal nicht. Auch dieser verlief eher unspektakulär.
    Nachdem ich die Gäste im zenana -Empfangsbereich eine Weile beobachtet hatte, wurde mir langweilig und heiß, und ich stand auf und schlich zu einer Zeltöffnung, um frische Luft zu schnappen. Als ich die Klappe zurückschlug und den Blick zum Sternenhimmel hob, hörte ich eine Stimme ganz in der Nähe.
    » Ist dir langweilig? «
    Die Perlenketten um den Hals des Mädchens, das neben mir stand, und der winzige glitzernde Kopfschmuck in den dichten, welligen Haaren sagten mir, dass die Kleine das Kind

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