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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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nächsten flatterten. » Ja. «
    Indira richtete sich halb auf und streckte mir die Hand hin. » Wie geht es Ihnen? « , erkundigte sie sich, den englischen Akzent nachäffend. » Freut mich sehr, Sie kennenzulernen. «
    » Das Vergnügen ist ganz meinerseits « , sagte ich, während wir einander die Hand schüttelten. Dann rollten wir plötzlich lachend im Gras. Als wir uns beruhigt hatten, fiel mir ein, dass wir in die zenana zurückmussten, bevor jemand unsere Abwesenheit bemerkte. Ich stand auf.
    » Wo willst du hin? « , fragte sie.
    » Zurück zu unserem Zelt. Wir kriegen Ärger, wenn sie sehen, dass wir weg sind. «
    » Ach « , meinte Indira, » Ärger bin ich gewöhnt. Ich glaube, den erwartet man sogar von mir. «
    Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass man mir, da ich keine Prinzessin war, sondern mir Kost und Logis als Gefährtin einer solchen verdiente, bestimmt nicht so leicht verzeihen würde.
    » Noch fünf Minuten? « , bettelte sie. » Es ist so heiß und langweilig im Zelt. Sag… « , fuhr sie fort, » …mit wem sollst du verheiratet werden? «
    » Das steht noch nicht fest. «
    » Sei froh. Ich habe meinen Zukünftigen vor ein paar Tagen hier kennengelernt. Er ist alt und hässlich. «
    » Wirst du ihn heiraten? Obwohl er alt und hässlich ist? «
    » Niemals! Ich wünsche mir einen schönen Prinzen, der mich liebt und mir erlaubt, Tiger zu halten « , antwortete sie grinsend.
    » Ich möchte auch meinen Traumprinzen finden « , gestand ich mit leiser Stimme.
    Wir blickten hinauf zu den Sternen und träumten von unseren schönen Prinzen. Manche Menschen behaupten, sie würden gern in die Zukunft schauen können. Doch wenn ich mich an jenen Moment reiner kindlicher Unschuld zurückerinnere, als Indira und ich, das ganze Leben noch vor uns, im Gras lagen, bin ich froh, dass wir es nicht konnten.

8
    In den folgenden drei Wochen, in denen die Festlichkeiten im Coronation Park bis zur großen Präsentation aller Prinzen vor König George weitergingen, wurden Indira und ich unzertrennlich. Wie sie es schaffte, sich so oft davonzuschleichen, weiß ich nicht, aber sie erschien immer pünktlich an unserem verabredeten Treffpunkt, von dem aus wir unsere Erkundungen starteten. Das Lager wurde zu unserem Abenteuerspielplatz. An den Ständen konnte man allerlei wohlriechende Köstlichkeiten wie goldbraun herausgebackene panipuris oder samosas, gefüllt mit würzigem Gemüse, erwerben. Dazu kamen Nippesläden mit Ton- und Holzfiguren. Indira, die immer genug Rupien zu haben schien, schenkte mir einen Keramiktiger, der mir besonders gut gefallen hatte. » Wenn wir nicht zusammen sind « , sagte sie, » schaust du einfach in die Augen dieses Tigers, dann weißt du, dass ich an dich denke. «
    Zum Glück musste Prinzessin Jameera mit ihren Eltern oft zu förmlichen Besuchen in die Lager der anderen Maharadschas, bei denen meine Anwesenheit nicht erforderlich war. Ich fragte Indira, warum das bei ihr nicht so sei.
    » Weil ich die Jüngste bin. Für mich interessiert sich niemand « , antwortete sie.
    Ich wusste, dass das nicht ganz stimmte. Es gab durchaus Tage, an denen Indira sich nicht mit mir treffen konnte und sich hinterher beklagte, dass sie stundenlang in heißen Zelten hatte herumsitzen müssen, während ihre Eltern die Runde machten. Doch im Großen und Ganzen gelang es uns, einander täglich zu sehen.
    Eines Morgens, als unsere gemeinsame Zeit sich allmählich dem Ende zuneigte und mir schon davor graute, in den Mondpalast in Jaipur zurückzukehren, begrüßte sie mich mit leuchtenden Augen.
    » Komm « , sagte sie und zog mich zwischen den Zelten hindurch.
    » Wo gehen wir hin? « , fragte ich.
    » Das wirst du schon sehen «, antwortete sie geheimnisvoll.
    Wenig später erreichten wir das Lager des Maharadschas von Koch Bihar.
    » Ich möchte dir meinen Lieblingselefanten zeigen « , teilte Indira mir mit. » Die Kleine ist erst zwei Jahre alt. Eigentlich sollte sie gar nicht dabei sein, weil sie noch nicht gelernt hat, in Umzügen mitzugehen, aber ich hab drauf bestanden, dass sie trotzdem mitkommt. Ohne mich und ihre Mutter wär sie sicher traurig gewesen. «
    Beim Betreten des pilkhana stieg mir der beißende Geruch von Dung in die Nase. In dem Raum hielten sich mindestens vierzig Elefanten auf. Indira führte mich an den Boxen entlang und begrüßte jeden einzelnen mit einem » Guten Morgen « und seinem Namen. Wir liefen zum hinteren Ende, wo sich in der letzten Box der kleine Elefant befand.

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