Die Mondrose
über anbieten wollte. Es gab ein Büfett, einen Eisverkauf und eine Blaskapelle, und nach Einbruch der Dunkelheit tanzten die Besucher auf der hinteren Terrasse zwischen schillernden Papierlaternen, deren Lichter wie Glühwürmchen durch die Sommernacht flimmerten.
Sie hatte Hyperion gezwungen, anwesend zu sein. Ihm war anzumerken, wie er sich innerlich krümmte, doch seine tadellosen Manieren, sein Liebreiz und seine Grazie machten ihn zu einer Zierde, die dem Fest Glanz verlieh. Während des Tanzes holte sie die Kinder, die in Spitzenkleidern so herausstaffiert worden waren, dass weder Esthers Blässe noch Georgias Grobheit allzu sehr ins Auge sprangen. So standen sie am Rand der Tanzfläche, die distinguierte, attraktive Familie der Hoteliers, und gaben ein herzwärmendes Bild ab. Dass Mildred nicht Hyperions Frau und dass Georgia in Schande geboren worden war, wusste von den Gästen kein Mensch, und keiner würde es erfahren. Ohnehin war dies die Nacht, die dem unhaltbaren Zustand ein Ende machen würde.
Nachdem der letzte Gast gegangen war und aller Trubel sich gelegt hatte, sagte sie es ihm. Diesmal stellte sie ihn nicht in der Bibliothek, die sie zu privaten Zwecken nicht mehr aufsuchten, sondern schlich sich in die einstige Dienstbotenkammer des Altenteils, die er sich als Schlafraum erbeten hatte. »Hyperion«, flüsterte sie. Wie lange hatte sie ihn nicht mehr beim Namen genannt?
Er hatte nicht geschlafen. Mit einem Ruck setzte er sich auf. So achtlos, wie er mit allem umging, das ihn selbst betraf, hatte er sich nicht die Mühe gemacht, sich ein Nachthemd überzustreifen. Die Haut seiner Schultern schimmerte im Licht des vollen Mondes, das ins Fenster fiel. Mildred kroch zu ihm, ehe er protestieren konnte. Sie wollte ihn halten, während sie es ihm sagte. Ob er heute Nacht mit ihr Liebe machte oder nicht, war Nebensache.
»Woran denkst du?«, fragte sie ihn. In ihren Armen erschien er ihr starr und seine Haut für die schöne Sommernacht zu kalt.
»Das willst du nicht wissen.«
»Doch.« Wenn er mir sagt, er schäme sich, wenn er sagt, er hasse das Hotel, den Trubel, die Fremden in seinem Haus, dann tröste ich ihn. Ich erkläre ihm, er soll sich nicht sorgen, er soll es mir überlassen, und es wird schon werden. »Sag es mir.«
»An Daphne«, erwiderte er und starrte in den dunklen Raum. »Ich habe diesem Londoner Detektiv geschrieben, der wegen des Mordfalls in Road aus dem Polizeidienst ausgeschieden ist. Er befasst sich mit der Auffindung verschwundener Menschen. Ich habe ihn gebeten, mich zu treffen, wenn ich wieder in London bin.«
Sie packte sein Gesicht und zwang es zu sich herum. »Schreib diesem Mann, du hast kein Interesse mehr«, sagte sie. »Du hast Daphne mehr als ein Jahr lang suchen lassen und jede Menge Geld dafür verschleudert. Einmal muss Schluss sein. Ich bin schwanger von dir. Willst du mir zumuten, noch ein Kind in Schande zu bekommen?«
Obwohl sie ihn nicht länger umarmte, spürte sie, wie er zusammenzuckte. So feige er sonst war, wich er ihrem Blick nicht aus, sondern ließ sie das pure Entsetzen, das sich in seinen Augen spiegelte, sehen. Hast du Daphne so angesehen, als sie dir sagte, sie sei schwanger mit Louis? Wie wirst du mich ansehen, wenn dein neuer Sohn geboren ist? Das unirdische Lächeln, die überbordende Zärtlichkeit, mit der er Daphne und ihr Neugeborenes bedacht hatte, würde sie nie vergessen. Dass einmal das, was Daphne gegolten hatte, all die Liebe und die Dankbarkeit, ihr gelten konnten, war unvorstellbar, und doch würde es so sein. Ich schenke dir zurück, was du verloren hast. Zum Lohn will ich nichts, nur dass du einmal Mildred sagst, wie du noch immer, hundertmal, Daphne sagst.
»Mildred«, sagte er. So, wie sie es nie mehr hören wollte, gepresst und zerquält. »Es kommt mir wie Hohn vor zu sagen, es tue mir leid, denn was nützt dir das? Ich begreife nicht, wie ich dir das noch einmal antun konnte.«
»Du begreifst nicht, wie du mir das antun konntest? Ich denke, du bist Arzt.«
»Ja«, murmelte er zerstreut und stützte die Stirn in eine Hand. »Ja, natürlich. Ich habe sagen wollen: Ich begreife nicht, warum ich mich noch mal dazu habe hinreißen lassen.«
Weil du kein Heiliger bist, dachte Mildred. Laut sagte sie: »Weil du mich willst, so sehr du dich dagegen wehrst. Meinst du nicht, es wäre an der Zeit, das anzuerkennen?«
»Ach, Mildred.« Er seufzte. »So ist es doch nicht. Du und ich, wir teilen das, was wir mit keinem anderen
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