Die Mondrose
andere Dinge gab, um davon zu träumen. Er war dabei von einem Fuß auf den anderen getreten, als könnte er es nicht erwarten, dass sie fertig war und ihn entkommen ließ. Sie hatte es aufgegeben. Während sie die Wäsche aus Leibeskräften wrang und knetete, dachte sie unentwegt darüber nach, was sie sonst noch tun könnte, doch ihr fiel nichts ein. Er war wie ein Tier, das sich in etwas verbissen hatte und sich lieber totprügeln ließ, als es loszulassen.
Und dann kam er an jenem Freitag nach Hause, während sie noch im Waschkleid im Hof stand und trockene Stücke in einen Korb sammelte, schwenkte fröhlich den Hut, um die Gäste an den Fenstern zu grüßen, und stürmte Sukie entgegen. Der Korb war fast voll und bereits so schwer, dass sie ihn kaum noch auf der Hüfte tragen konnte, doch er riss ihn ihr weg, als hätte er kein Gewicht, und setzte ihn ab. »Sukie, Sukie!«, rief er, packte sie in der Taille und warf sie wie ein Kind in die Luft. Als er sie wieder auffing, gab er ihr übermütig einen Kuss auf die Wange, und dann lächelte er sie auf so bezaubernd zerknirschte Weise an, dass sie ihm unmöglich böse sein konnte. Alles Niedergedrückte, Erbitterte schien aus seiner Miene verschwunden. Sie war sicher, sie hatte ihn nie so ausgelassen und nie so unwiderstehlich erlebt. »Wir gehen feiern, willst du?« Er strahlte sie an. »Du schuftest dir tagaus, tagein den Rücken krumm, du hast es redlich verdient.«
Sie hätte jauchzen und ihm vor den Gästen, die Beifall klatschten, den Kuss zurückgeben mögen. »Und was feiern wir?«, fragte sie.
Seine Augen leuchteten. »Mr Weaver hat mir die Hälfte der Pension verkauft. Wir haben heute die Verträge unterzeichnet.«
»Aber woher nimmst du denn das Geld?«
»Ha!«, rief er, packte sie noch einmal und schwang sie im Kreis um sich selbst. »Du meinst, weil die vernagelten Bankiers lieber einer verschuldeten Aufschneiderin Kredit für ihre größenwahnsinnigen Pläne gewähren, als einem ehrlichen Mann unter die Arme zu greifen? Nun, Mr Weaver denkt anders darüber. Er weiß, dass er sich auf mich verlassen kann, und hat mir heute mitgeteilt, dass er keinen anderen Käufer für Milton’s Court möchte. Es ist ja ein wenig sein Lebenswerk, verstehst du? Er will, dass ich es weiterführe, und deshalb hat er mir angeboten, mir den Kaufpreis zu stunden. Die monatlichen Raten sind zwar etwas höher als bei der Bank, aber wenn die Saison so weiter für uns läuft und wir für den Winter noch Dauergäste bekommen, sollten wir es schaffen.«
Sukies Heiterkeit verflog. Sie hatte zu lange in Hector Weavers Dienst gestanden, um nicht zu wissen, dass all das, was Victor von ihm erzählte, erlogener Unsinn war. Wenn es überhaupt etwas gab, das Weaver als Lebenswerk betrachtete, so war es die Gasanstalt, und selbst die hätte er morgen verscherbelt, wenn er sich davon einen Vorteil versprochen hätte. Wenn Weaver einem anderen ein so großzügiges Angebot machte, steckte ohne Frage eine unheilvolle Absicht dahinter, die zu durchschauen Victor März und Sukie Ralph nicht gewieft genug waren. »Was ist, wenn wir es nicht schaffen?«, wagte sie ihn zu fragen und bereute es gleich darauf. Warum war sie so dumm, sich den Augenblick der Freude zu verderben, was kümmerte es sie, was morgen geschah?
»Weshalb sollen wir es denn nicht schaffen?«, fragte Victor zurück und lachte ihr in die Augen. »Gib mir zehn Jahre, kleine Sukie, und du wirst meinen Namen auf der Liste der reichsten Männer dieser Stadt finden. Und dir selbst wird es dann auch wohlergehen, das verspreche ich dir. Keine endlosen Waschtage mehr.« Er nahm ihre Hand, die vom Waschwasser verschwollen und rot war, und gab ihr einen flüchtigen Kuss darauf. »Jetzt lass mich dich ausführen. Nicht ins Dog and Donkey oder einen von den anderen dreckigen Pubs, sondern in ein richtiges Restaurant.«
Er bestand darauf, dass Sukie ihr gutes Kleid anzog, und wechselte selbst in seinen dunklen Abendanzug, der ihm stand wie auf den Leib geschneidert. Sie nahmen einen Wagen, und als sie ausstiegen, spürte Sukie die Blicke, die ihnen folgten. Wir sind ein schönes Paar, dachte sie mit einem Anflug von Traurigkeit.
Im Cathedral behauptete man, es gebe keinen Platz, obgleich die Hälfte der Tische unbesetzt war. Dass Victor an der Kränkung schluckte, war nicht zu übersehen, aber er schien entschlossen, sich den Abend nicht vergällen zu lassen. Nachdem man sie aus zwei weiteren Restaurants hinauskomplimentiert
Weitere Kostenlose Bücher