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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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Mädchen forderte. Dass Mildred sie gern weniger perfekt gehabt hätte, damit ihre eigenen Töchter daneben nicht verblassten, war letztlich nicht ihre Schuld.
    Georgia arbeitete sich in Schwung, und immer höher flog die Schaukel. Nach einem heftigen Ruck am Seil stürzte Phoebe nach vorn. Sofort griff Esther zu, doch selbst das Federgewicht der Kleinen war für ihre schwachen Kräfte zu viel, und sie landeten beide auf dem Boden der Schaukel.
    Georgia, die eindeutig an dem Unfall schuld gewesen war, grinste ohne jede Spur von Reue. »Was verloren?«, fragte sie die Schwestern und klang dabei nicht wie ein Kind von vier Jahren, sondern wie eine komische Alte in der Music Hall. Esther lachte. Georgia ließ das Seil los, und gemeinsam halfen sie Phoebe wieder auf den Sitz. Erstaunlich, fand Mildred. Dieses unschöne, reizlose Mädchen besaß etwas, das Mildred weder an sich selbst noch an Hyperion oder gar Daphne je bemerkt hatte – Humor. Nicht weniger erstaunlich war, dass die Schwestern einander sichtlich gern mochten, obgleich sie so unterschiedlich waren und das Verhalten ihrer Eltern dazu angetan war, sie gegeneinander aufzuhetzen.
    Reflexe von Sonnenstrahlen fingen sich in Esthers Locken, mit denen der Wind ein Spiel trieb. Wenn Mildred von ihr zu Phoebe sah, hätte sie Esther die goldene Fülle am liebsten abgeschnitten. Ihre Tochter war es, die solches Haar hätte haben sollen. Phoebe war zwar nicht hässlich wie Georgia, aber mit ihren stumpfen Strähnen und den unklaren Zügen fiel sie niemandem auf. Jedes Mal, wenn Mildred ihre jüngste Tochter betrachtete, überkam sie eine Woge von Liebe, die drohte, sie hinwegzuschwemmen. Sie hätte diesem Kind alles geben wollen, was es sich jemals wünschte, die ganze Welt sollte ihr Kind beneiden, und die, die es jetzt kaltherzig aus ihren Kreisen ausschlossen, sollten um seine Gunst buhlen.
    Von den Kindern weg sah sie auf ihr Hotel, das schneeweiße Gebäude, das ihr in ihren Träumen begegnet war, noch ehe sie es kannte. Ja, sie war auf dem richtigen Weg. Was immer ihr versagt blieb, was immer sie verloren hatte – sie war dabei, ein Imperium aufzubauen, das in der Stadt seinesgleichen suchte. Sie würde ihrem Kind das Glück schenken können, um das sie selbst vergeblich gekämpft hatte.
    Das Leben war im Lot. Es war nicht das Paradies, es war an keinem Tag schmerzlos, aber sie hatte gelernt, es in Würde zu tragen. Sie hatte noch immer ein Ziel. Wie einst Daphne, so wollte sie jetzt Phoebe ein Königreich zu Füßen legen. Vom Lieferanteneingang hörte sie die Glocke und machte sich auf den Weg. Die Qualität der Waren, die für das Hotel geliefert wurden, begutachtete sie gern mit eigenen Augen.
    Es war kein Lieferant, der geklingelt hatte, sondern der Postbote, der neuerdings auf einem bemerkenswerten Gefährt durch die Straßen kurvte. Er saß in einem Sattel, der auf ein riesiges Rad montiert war, und trat in Pedalen, die sowohl das Riesenrad als auch ein viel kleineres, dahinter befestigtes in Fahrt setzten. Die Fortbewegung auf dem seltsamen Gebilde wirkte lebensgefährlich, aber der Postbote schien sich völlig sicher zu fühlen und pfiff beim Treten einen Ohrwurm der Music Hall.
    Mildred sah den Brief sofort, als sie den Stapel entgegennahm. Der letzte war im April gekommen. Sie hatte geglaubt, danach eine Zeitlang Ruhe zu haben, gerade jetzt, da durch die Neuanschaffungen für das Hotel das Geld knapper war, aber sie hatte sich in zu viel Sicherheit gewiegt. Ihr Herz verfiel in den lauten, verlangsamten Schlag, der nicht mehr nach etwas Lebendem, sondern starr wie ein Uhrwerk klang. »Priscilla, achten Sie auf die Kinder«, sagte sie mechanisch. »Ich habe etwas zu erledigen.« In Ihrem Zimmer schloss sie sich ein, ehe sie den Umschlag aufriss.
    Es war schlimmer, als sie befürchtet hatte. Der Erpresser war weit davon entfernt, sich zufriedenzugeben, im Gegenteil, er forderte doppelt so viel wie zuvor. Während ihr Herz überlaut weiterklopfte, glaubte Mildred eine Schlinge zu spüren, die sich um ihre Kehle schloss. Zum ersten Mal begriff sie, dass sie in einer Falle saß, die sie nicht wieder freigeben würde. Dies hier war erst der Anfang, und wie das Ende aussah, vermochte sie sich nicht einmal vorzustellen.
    Wie die übrigen Male forderte der Erpresser sofortige Zahlung, andernfalls würde er sein Wissen »an geeigneter Stelle« preisgeben. Was würde dann geschehen? Würde sie Mount Othrys, würden die Kinder ihr Heim verlieren, war das das

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