Die Mondrose
Monogramm der Bestecke, das zierliche Teegeschirr mit dem Emblem, die Platten, auf denen ein Wildschwein im Ganzen serviert werden konnte. Anschließend hätte sie dem Wetter zum Trotz anspannen und hinüber zum Victoriana fahren müssen. Mildred hasste es, Esther um Geld anzugehen, doch der Erpresser verlor wieder einmal die Geduld.
All das hatte jetzt zu warten. »Phoebe!«, rief sie durch das Fauchen des Windes. »Habt ihr nicht wenigstens einen Regenschirm?«
Im Dunkeln sah sie Phoebe den Kopf schütteln. Erst jetzt erkannte sie, dass neben ihr und den Kindern ein Koffer am Boden stand, und stöhnte innerlich auf. Nicht das, beim Teufel, nicht obendrein noch das! Sie schob den Schlüssel ins Schloss und riss das Tor auf. »Go-mutter!«, rief die kleine Sarah, die mit ihren fast vier Jahren noch immer nicht ordentlich sprechen konnte. Ihre Zwillingsschwester Miranda drückte sich furchtsam in die Röcke ihrer Mutter.
»Jetzt kommt schon ins Haus«, blaffte Mildred und wollte Phoebe am Ärmel auf das Grundstück zerren, aber die wies mit dem Kopf auf den Koffer. »Kannst du mir helfen? Ich bin so erschöpft.«
Mildred packte den Koffer und drängte ihre Enkelinnen weiter. »Wozu brauchst du den?«
Mildred wünschte, sie hätte nicht gefragt. »Ich habe Granville verlassen«, sagte Phoebe.
Durch Ströme des Regens kämpften sie sich zum Haus. Die ganze triefende Schar blieb im Windfang stehen. Tropfen aus Kleidersäumen fielen auf die Dielen. »Das kannst du nicht«, sagte Mildred. »Weißt du, was du uns damit antust? Mount Othrys hat keine Dachterrasse. Mount Othrys hat kein Hinterhaus für Thomas-Cook-Touristen. Alles, was Mount Othrys hat, ist sein makelloser Ruf. Wirst du je auch nur ahnen, was mich dieser Ruf gekostet hat, Phoebe, was er mich immer noch kostet?«
Der Junge auf Phoebes Arm begann zu weinen. »Gib ihn mir«, sagte Mildred und streckte die Arme nach ihrem Enkel aus. Sobald er bei ihr war, wurde das Weinen zum Jauchzen, das Gesicht verzog sich zum Strahlen, und eine winzige Hand betastete ihr Gesicht. Der kleine Peter war ein reizendes Kind. Wer nur flüchtig hinsah, nahm an, er habe die hohle Hübschheit seines Vaters geerbt, doch Mildred erkannte in den filigranen Zügen, was sie sich für ihre eigenen Kinder so sehnlichst gewünscht hatte: Peter sah aus wie Hyperion. Er sah aus wie Louis.
»Ihr müsst die nassen Sachen loswerden, oder euch holt der Tod.«
»Ihr holt euch den Tod«, verbesserte Phoebe.
Mildred sagte dazu nichts, sondern bugsierte die Tochter samt Enkel in das Zimmer der Mädchen, wo es Betten genug gab. Zu ihrem Glück war Chastity nicht da, so dass sie sich keine Erklärung aus den Fingern saugen musste. Wo ihre Jüngste, die nie irgendwo hinging, sein konnte, fragte sie sich nicht. Es dauerte eine Weile, bis sie alle drei Kinder in trockene Kleider verpackt und zu Bett gebracht hatten. Zuletzt half Mildred auch Phoebe aus dem nassen Stoff wie einem Kind. Ihre Tochter, die sie so gehätschelt und herausgeputzt hatte, trug geflickte Unterwäsche, die ihr um den Leib schlackerte. Wieder zogen Schmerz und Liebe ihr das Herz zusammen. So resolut, wie sie konnte, schob sie Phoebe aus dem Zimmer und löschte das Licht. »Heute Nacht könnt ihr bleiben«, sagte sie, während sie Phoebe in den Salon drängte. »Aber morgen erwarte ich, dass du das mit deinem Mann in Ordnung bringst.«
»Er hat mich wieder geschlagen«, sagte Phoebe, als bedürfte es dazu einer Erwähnung.
»Das ist sein Recht«, erwiderte Mildred, obwohl sie sich aus tiefstem Herzen wünschte, diesem Schwiegersohn eine Tracht Prügel zu verpassen, nach der er sich hütete, ihre Tochter noch einmal anzurühren. »Ich habe dich nicht gebeten, hinzugehen und dir von ihm Zwillinge anhängen zu lassen, Phoebe. Ich habe mir fürwahr ein anderes Leben für dich gewünscht, aber wie man sich bettet, so liegt man. Wenn du nicht willst, dass dein Mann dich schlägt, bring ihn nicht gegen dich auf. Junge Männer sind wie Tiere, aber die meisten beruhigen sich früher oder später.«
Ehe Mildred den Blick abwenden konnte, wandte Phoebe ihr das verschwollene Gesicht zu. »War Vater auch wie ein Tier, als ihr jung wart, Mutter?«
»Dass der eigene anders ist, hofft jede Frau«, versetzte Mildred kalt. »Aber was das betrifft, sind Männer alle gleich.« An den jungen Hyperion wollte Mildred um keinen Preis denken. Das, was hier durchzustehen war, war schwer genug.
»Mein Peter nicht!«, rief Phoebe und sprang auf,
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