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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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machen wollen, aber sein Sohn war tapfer. Er hielt sein Versprechen, sie nie zu belügen, und führte nicht einmal einen mildernden Umstand ins Feld.
    »Mit wem?«
    »Mit Hedwig March«, antwortete er.
    Heiser krächzte sie: »Das ist nicht dein Ernst!«
    »Doch, das ist es.«
    »Aber Hedwig March ist keine Frau, sondern ein seelisch krankes Kind! Willst du mir sagen, du hast dich an einem kranken Kind schadlos gehalten, das sich dir an den Hals wirft, weil es anders zu Menschen keine Nähe haben kann?«
    »Ja, das will ich dir sagen«, erwiderte er. »Ich wollte das Schlechteste tun, das mir eingefallen ist, und das habe ich getan.«
    »Das ist nicht schlecht«, schrie sie, »das ist teuflisch.«
    »Ja, teuflisch«, sagte er.
    Es gab kein Wunder. Er hatte jahrelang hingenommen, dass sie ihn verletzte, weil Männer Frauen zerstörten, und dann war er hingegangen und hatte selbst eine Frau zerstört. Es gab nur einen Weg, damit weiterzuleben, und so, wie er sie ansah, wusste er das selbst. Was er getan hatte, war ja nicht teuflisch. Es war entsetzlich falsch und schwach, aber durch und durch menschlich, und die Strafe, die er dafür auf sich nehmen musste, war atemberaubend. »Sie bekommt ein Kind von dir, ja?«
    Er nickte. »Sie hat mir heute Morgen eine Nachricht geschickt.«
    Konnte man so schnell sicher sein, dass man ein Kind bekam? Die Überlegung war müßig. Das Leben würde ihm nicht verzeihen. »Dich hier zu verstecken nützt nichts«, sagte sie.
    »Ich weiß. Nur wo ich hinsoll, weiß ich nicht.«
    »Nach Hause«, sagte sie. »Wasch dich und zieh dich ordentlich an. Und dann musst du in dein Institut und die Sache mit deiner Arbeit in Ordnung bringen. Dein Dekan hat dir deine Stelle bewahrt, aber ewig wartet er nicht.«
    »Ich kann doch nicht …«
    »Doch, du kannst«, sagte sie. »Du wirst dir eine gesalzene Standpauke anhören müssen und vermutlich auch von deinen Kollegen keine Lobeshymnen ernten, aber das ist alles. Du hast einen Fehler begangen. Das macht dich nicht zum Unmenschen.«
    In dem Augenblick, in dem sie es aussprach, begriff sie: Das Leben würde ihm nicht verzeihen. Aber sie. Er war nicht der Einzige, der einen Fehler begangen hatte, sie hatten das, was ihnen bevorstand, beide verdient, aber es machte sie nicht zu Unmenschen.
    Seine Augen brannten. Sie tat, was sie von ganzem Herzen tun wollte, ging zu ihm und legte die Arme um ihn. Fast hätte sie gelacht, weil nicht zu fassen war, wie in gerade mal fünf Wochen diese ganze Fassade aus Eleganz, Geschmack und Wohlgeruch von ihm hatte abfallen können. Und wie gern sie sich mit diesem verdreckten, zu Tode erschöpften Mann auf das stinkende Bett geworfen hätte, um ihn wund zu lieben. Er stand in ihren Armen auf und zog sie an sich. Mehrere Minuten lang klammerten sie sich aneinander, er senkte seinen Kopf auf ihre Schulter, und sie presste ihr Gesicht in seine Halsgrube. Dann machte sie sich unter größter Anstrengung los. »Du wirst für das, was du getan hast, einstehen müssen«, sagte sie. »Das weißt du, nicht wahr?«
    Er wollte widersprechen, aufbegehren, dann aber schloss er den Mund und senkte den Kopf. Ich wünschte, ich dürfte dir trotz allem sagen, wie stolz ich auf dich bin, dachte Lydia. Und wenn sie alle mit dem Finger auf dich zeigen, du bist keiner, der seine Fehler anderen zuschiebt, der wie Mildred die eigenen Kinder den Kopf dafür hinhalten lässt. Du hältst deinen Kopf selbst hin, und ich wünschte, die Schläge, die auf dich niederprasseln werden, wären nicht so gnadenlos.
    Das Schlimmste stand ihr noch bevor. Sie musste es aussprechen. »Horatio.« Er blickte auf, und sie sah in seine Augen, deren Wärme sie unendlich liebte. »Ich werde dir die Scheidung so leicht wie möglich machen. Lass mir das Haus, darum bitte ich dich, damit meine Mutter dort bleiben kann, bis sie stirbt. Du verdienst genug, um für deine Familie zu sorgen, und vermutlich wird Mr March euch ja unter die Arme greifen.«
    Er zuckte zusammen. Dann krümmte er den Rücken. In Gedanken legte sie ihm die Hand in den Nacken und glaubte die steinharte Spannung zu fühlen. »Ich ziehe mit meiner Mutter ein paar Tage zu Esther. Wir brauchen nicht länger als eine Stunde zum Packen, dann kannst du kommen und im Haus bleiben, bis du deine Belange geregelt hast. Schick mir eine Nachricht, wann immer du so weit bist, einverstanden?«
    Ohne sie anzusehen, nickte er.
    »Alles Gute«, sagte sie und begann rückwärts der Tür entgegenzugehen, wobei ihr

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