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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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ausgerechnet in diesem Moment verliebte ich mich in Selene. Leider war ich nicht in der Lage, vernünftig mit dieser Liebe umzugehen, bis ich Licht in das Dunkel um meine Familie gebracht hatte.«
    »Schön für Sie«, bemerkte Lydia sarkastisch. »Nur leider hatte sich in der Zwischenzeit die Welt um Selenes Familie verdunkelt. Und was wollen Sie Held jetzt anfangen, um sie zurückzubringen, damit sie ihren Weg durch diesen Irrgarten finden kann?«
    »Ich fahre ihr hinterher«, erwiderte Thomas März, ohne zu zögern. »Ich suche sie und sage ihr: Liebste Selene, kein Mensch versteht dich besser als ich, weil ich auch keine Ruhe finden konnte, ehe ich wusste, dass ich der Sohn von Hannes März bin und eine Familie in Portsmouth habe. Wir sind in eine Zeit geboren worden, die alles, was nicht in ihr Bild passte, totschwieg, aber wir schweigen nicht mehr. Wir fangen in unserer neuen Zeit neu an.«
    Horatio setzte sich wieder und fasste ihn ins Auge. »Junger Mann, von Ihren philosophischen Höhenflügen abgesehen, sind Sie sich über das Ausmaß Nordamerikas im Ansatz bewusst?«
    »Ja, das bin ich.«
    »Und es schreckt Sie nicht?«
    »Nein. Zumindest nicht erheblich.«
    »Bravo«, sagte Horatio. »Falls Sie Geld für eine Schiffspassage brauchen …«
    »Damit wäre mir in der Tat geholfen«, fiel Thomas März ihm ins Wort.
    »Ziehen Sie Leine.« Horatio sandte ihm sein sardonischstes Lächeln. »Nehmen Sie die nächste, die Sie bekommen können, und lassen Sie es mir auf die Rechnung setzen.«
    Thomas März sprang auf. Er wollte noch etwas sagen, aber Horatio wies ihn mit einer Handbewegung aus der Tür. »Nun machen Sie schon. Wir sind hier alles alte Leute, die Geduld der Jugend geht uns ab.«
    Esther sah, wie Lydia seiner Hand einen zärtlichen Klaps versetzte. War denn nicht alles verloren, konnten diese beiden einander noch lieben, als wäre die Welt nicht in Stücke gebrochen?
    »Und was tun wir?«, fragte Horatio, nachdem März gegangen war. »Ich schlage vor, wir investieren als Erstes ein mittleres Vermögen in ein Telegramm an Phoebe. Dann wissen wir zumindest, dass Selene und Chastity dort drüben einen Menschen haben.«
    »Apropos Vermögen«, fiel es Esther ein. »Die Passage für Mr März bezahle natürlich ich …«
    »Nur keine Sorge«, erwiderte Horatio. »Ich ziehe demnächst zu meiner Schwester nach Whitechapel und brauche kein Geld mehr.«
    Noch einmal klopfte ihm Lydia auf die Hand. »Kannst du aufhören zu plänkeln, Horatio?«
    »Plänkeln ist ein Bestandteil militärischer Strategie«, erwiderte er. »Es dient der Schwächung des Gegners vor dem entscheidenden Angriff.«
    »Aha. Und wie sieht der entscheidende Angriff, den du dir vorstellst, aus?«
    »Ich habe keine Ahnung«, bekannte er freimütig, »aber ich schlage vor, erst einmal die Front zu schließen. Annette ist bei ihrem Großvater, dem es nicht gut geht, die müssen wir ihm lassen. Aber Mildred ist allein, und das gefällt mir nicht.«
    »Mildred hat Georgia«, sagte Esther.
    »Ich glaube nicht, dass in diesem traurigen Haus irgendwer irgendwen hat«, erwiderte Horatio. »Und ich würde da jetzt gern hinfahren. Erst aufs Telegraphenamt und dann zu Mildred.«
    Er hatte zu Mildred gesagt. Nicht nach Mount Othrys. »Ich begreife nicht, warum du dich ausgerechnet um Mildred sorgst«, murmelte Esther. Die beiden, Horatio und Lydia, mochten glauben, dass sie alles wussten. Aber sie wussten nicht, dass Mildred Selene zu einem Baby Farmer hatte bringen wollen, einer jener Frauen, bei denen Kinder elendig verreckten. Sie, Esther, hatte dagegen aufbegehrt, wie sie einst dagegen aufbegehrt hatte, dass Mildred die Mondrose tötete. Erst als Mildred sich bereit erklärte, ihr Selene zu lassen, hatte sie geschworen, nie mehr aufzubegehren. Damit Mildred stillhielt. Damit niemand an ihr Glück mit Selene rührte.
    »Denkst du manchmal daran, wie alt sie ist?«, fragte Horatio.
    »Und denkst du manchmal daran, wie sie dich verabscheut hat? Du warst der Ausbund des Bösen für sie. Ihre Phoebe hättest du niemals heiraten dürfen.«
    »Wäre es nach den Müttern in dieser Stadt gegangen, hätte ich niemanden heiraten dürfen«, erwiderte Horatio. »Haben wir das nötig, Esther? Einer alten Frau anzukreiden, was vor zwanzig Jahren war, jetzt, da wir uns um dieselben Menschen sorgen? Und was hat Mildred denn getan, als auf die einzige Weise, die ihr einfiel, um ihre Familie zu kämpfen? Vielleicht hätten wir ihr gelegentlich sagen sollen, dass sie

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