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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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Othrys!«, rief Mildred. »Wir bezahlen die Rechnung monatlich.«
    Bedauernd wiegte der Schuhmacher den Kopf. »Es fällt mir nicht leicht, das zu sagen, aber die Rechnung steht seit Monaten aus.«
    »Na hören Sie mal«, flötete Bernice. »Sie werden doch das Fräulein nicht so in Verlegenheit bringen. Die paar Pennys für die Flickarbeit bezahle ich.« Achtlos griff sie in ihre Börse und ließ Münzen auf den Ladentisch klimpern.
    Mildred starrte sie an.
    Bernice zuckte mit den dicken Schultern. »Vielleicht sollte Hyperion noch einmal bei Hector wegen eines Kredits vorsprechen. Es tut uns schließlich nicht weh, und niemand soll behaupten, wir ließen Verwandte im Regen stehen.«
    Mit einem Stoß wischte Mildred Geld und Schuhe vom Tisch und stürmte aus dem Laden. Draußen riss sie dem Burschen die Zügel aus der Hand, sprang auf und trieb Gaia aus dem Stand in Trab. Nie hatte sie so sehr bereut, nicht in einer Staubwolke davongaloppieren zu können.
    Wohin wollte sie? Ans Meer, ans Meer. Die Stadt barst vor Feriengästen, Hotels und Pensionen platzten aus den Nähten. An den Badestränden hielten Frauen in leuchtenden Kleidern ihre Teepartys ab. Um das Puppentheater hatte sich ein Ring kleiner Zuschauer gebildet, fliegende Händler lockten mit Aalsülze, Zuckerstangen und gebackenen Kartoffeln. Die längste Schlange war vor der Eiscrememaschine, hinter der ein Mann die sündhaft teure Süßigkeit auf muschelförmige Gebäckteile löffelte. Mildred musste das Pferd so rasch wie möglich weitertreiben, weil ihr das Wasser im Mund zusammenlief. Sie hatte dies nie wieder erleben wollen, die Lust auf etwas, das sie sich nicht kaufen konnte. In ihrem Zorn versetzte sie Gaia einen Gertenhieb, dass die Stute einen Satz vollführte. Gleich darauf tat es ihr leid.
    Im Männerbad wurden Badekabinen ins Meer gerollt. Es war regelrecht Mode geworden, hier zu baden. Man mietete sich eine Kabine, tauschte drinnen Stadtkleidung gegen Schwimmanzüge, und sobald die Kabine hinausgerollt war, ließ man sich ungesehen in die Fluten gleiten. Selbst die Königin teilte auf diese Weise das Badevergnügen. Mit jeder Faser sehnte sich Mildred danach, es einmal auszuprobieren, sich Schweiß und Sorgen von der Haut zu spülen und sich von der Kraft des Meers umarmt zu fühlen.
    Sie würde von Hyperion Geld dafür verlangen, Geld für einen Tag am Strand mit Baden und Eiscreme und Aal, bis ihr übel wurde. Ich habe sonst nichts bekommen. Aber auf dieses Wenige habe ich ein Recht.
    Sie trieb die Stute hinter die Festungsruine, wo der Kieselstrand leer und still war. Vor dem Wall knüpfte sie sie an einen Pflock und stieg hinüber zum Meer. Eine Weile stand sie reglos da und starrte auf die Schaumspuren, die jede Welle beim Zerschellen hinterließ. Irgendwann setzte sie sich, zog Schuhe und Strümpfe aus und streckte die Füße ins Wasser. Es war kalt wie gefroren. Ihre Rocksäume durchnässten, doch das kümmerte sie so wenig wie die Tränen, die ihr über die Wangen strömten. Das Meer war kein Verräter. Es war ihr verschwiegener Freund.
    Als sie ihren Namen hörte, schrak sie zusammen. »Mildred? Was tust du hier?«
    Sie blickte auf und sah in sein Gesicht. Zorn wallte in ihr auf. »Das könnte ich dich ebenso fragen.«
    »Ich habe Vernon besucht und wollte mir auf dem Heimweg den Kopf auslüften. Und du, Mildred? Ist alles in Ordnung?«
    »Nichts ist in Ordnung.«
    »Um Gottes willen, es ist doch nichts mit Daphne …«
    »Nein«, schrie sie ihn an, »noch ist nichts mit Daphne, weil ich ja alles von ihr fernhalte. Ich kratze Rahmtöpfe aus, ich beknie Lieferanten, und obendrein lasse ich mich von Madam Nell beleidigen, damit nur Daphne nichts mitbekommt. Aber wie lange, glaubst du, geht das? Ich habe dir gesagt, für das wirkliche Leben ist Daphne zu zart. Wenn sie erfährt, dass du für Fremde besser sorgst als für sie, mag das mehr sein, als sie ertragen kann.«
    Zwei Herzschläge später saß er neben ihr, sein Gesicht die pure Qual. »Ich weiß doch, Mildred. Ich weiß.«
    »Warum lässt du es dann so weit kommen?«
    Er senkte den Kopf, sah in die Kiesel. »Das ist so schwer zu erklären.«
    »Du hast mir einmal erklärt, warum du im Spital praktizierst, obwohl es dir nichts einbringt. Es war keine gute Erklärung, aber ich habe sie hingenommen. Gib mir wieder eine, ich habe ein Recht darauf. Warum steckst du Geld ins Spital, während deine Familie sich schämen und um Almosen betteln muss?« Der Atem ging ihr aus. »Ich kann

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