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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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das nicht dulden. Meine Schwester und ich, wir hatten Kummer genug.«
    Hyperion blickte auf. Das hatte er mit Daphne gemeinsam – sein Gesicht war so hell und offen, es war kein Falsch darin, nur Verletzlichkeit. Das Meer leckte ihm den Staub von den Schuhen und gab sie blank wieder frei. »In der Tat, du hast ein Recht darauf. Und ich fürchte, es ist schlimmer, als du denkst.«
    »Was ist schlimmer?«
    »Ich stecke kein Geld ins Spital. Die Summe, die ich sonst jedes Jahr zeichne, habe ich diesmal nicht aufbringen können.«
    »Aber wo bleibt denn das Geld? Warum sind ständig Rechnungen unbezahlt, warum beklagen sich die Dienstboten?«
    »Es bleibt nirgendwo«, antwortete Hyperion. »Wir haben kein Geld, weil ich keines verdiene. Jedenfalls nicht genug. Ich habe versucht mehr Patienten zu werben, aber der Erfolg war mäßig. Vielleicht, weil ich nur mit halbem Herzen dabei bin, weil etwas in mir darauf beharrt, ich sei nicht Arzt geworden, um reichen Leuten die Furunkel auszutrocknen, sondern um Leben zu bewahren.«
    Bei ihrer Bewegung zuckte er zusammen, als würde er einen Schlag erwarten. Es war wie bei Daphne. Er sagte Dinge, gegen die Mildred aufbegehren musste, doch er legte eine Inbrunst hinein, die sie entwaffnete. Wie soll ich ihn dafür strafen, dass er ein edlerer Mensch ist als ich? »Aber der Holzhandel«, brachte sie heraus.
    Hyperion schüttelte den Kopf. »Die Summe, die uns zufließt, wird beständig kleiner. Mein Bruder hat sich beizeiten anders orientiert, doch um uns steht es übel. Über kurz oder lang schließt der Holzhandel die Pforten, und dann bleibt uns nur, was ich selbst zusammenkratzen kann.«
    Mildred fiel das Schaukelpferd ein, das Mobiliar des Kinderzimmers, das aus dem teuersten Geschäft der Stadt stammte, und der seidige Spitzenschal, den er Daphne geschenkt hatte. Er warf mit Geld nur so um sich, es konnte nicht wahr sein, was er sagte. »Soll das heißen, wir werden wieder arm sein?«
    »Nein, Mildred.« In seiner Stimme schwang zärtliche Traurigkeit. »Es heißt, wir sind arm.«
    »Das erlaube ich nicht!« Sie sprang auf. »Du weißt nicht, was es bedeutet, arm zu sein, du hast in Daunen gelegen und aus Kristallgläsern Sherry geschlürft, aber mir klebt der Geschmack von Armut so fest im Mund, dass ich ihn nie mehr schlucken kann. Ich habe mir geschworen, Daphne und mich daraus zu befreien, und du stößt uns nicht dorthin zurück!«
    Er stand ebenfalls auf. »Ich habe mir so sehr gewünscht, dass ihr nichts merken solltet, doch wie üblich bin ich gescheitert.«
    »Dass wir nichts merken sollten?« Sie holte aus und schlug ihm ins Gesicht. Legte all den gestauten Zorn in den Hieb, und für diesmal tat es ihr nicht leid. Reue kam erst später, als sie den Abdruck ihrer Hand auf seiner Wange sah.
    Ehe sie sprechen konnte, schüttelte er den Kopf. »Nur zu. Verdient habe ich es hundertmal, nur nützen tut es nichts. Ich bin ein Versager, und das Schlimmste ist, dass jetzt noch das Kind kommt, das ich nicht versorgen kann.«
    Etwas in Mildred brach auf. Sie trat vor und zog ihn in die Arme. »Deshalb bestellst du diese teuren Dinge? Um dein Gewissen zu beruhigen?«
    Sie spürte sein Nicken.
    »Das geht nicht so weiter. Du hörst damit auf.«
    Wieder das Nicken. Sein Herz schlug über ihrem.
    »Ich habe dir gesagt, ich werde nie wieder arm sein. Ich wollte auch nie wieder kämpfen, aber immerhin weiß ich, dass ich dazu tauge. Ich werde dir helfen, solange du mir versprichst, dass du mich unterstützt.«
    Er hob den Kopf. »Ich kann nicht dich meinen Karren aus dem Dreck ziehen lassen. Ich gehe morgen zu meinem Bruder.«
    »Nein!«, rief sie. »Von deinem Bruder nehmen wir keinen Penny. Wenn wir Geld leihen müssen, weiß ich, an wen ich mich wende, aber vorerst werden wir anderes tun. Gibst du mir freie Hand?«
    Er zögerte.
    »Es geht um Daphne. Willst du, dass Daphne all dies erfährt?«
    »Um Himmels willen, nein.«
    »Das haben wir gemeinsam«, erwiderte sie. Etwas in ihr wollte ihn an sich drücken, gleichgültig, wem er gehörte. Der andere Teil schob ihn weg und streckte ihm die Hand hin. »Du hilfst mir?«
    Zaudernd schlug er ein.
    »Gehen wir.« Sie begann über den Kieselstrand zurückzustapfen und dann den Deichwall hinaufzusteigen. Er trottete hinterdrein. »Dir liegt nichts am Reiten?«, fragte sie über ihre Schulter.
    »Es war mir schon immer ein Graus.«
    »Gut«, sagte Mildred. »Mir gibt es Kraft, dies durchzustehen. Also reite ich von jetzt an deinen

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