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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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was du mir geraten hast. Ich steige ins Geschäft mit Feriengästen ein.«
    Jetzt glaubte Hector das Gesicht des Deutschen vor sich zu sehen, die Fassungslosigkeit in den herrlichen Augen, das Haar, das ihm über die Stirn fiel. »Ich habe dir geraten …«, stammelte er.
    »Du hast gesagt, eines Tages wird diese ganze Küste eine Kette von Hotels sein, und die Urlauber tragen Geld wie Heu in die Stadt. Von dem Heu will ich meinen Teil. Meine Schwester und ihr Kind brauchen ihn.«
    »Ich habe das Kind in der Stadt gesehen«, murmelte der Deutsche. »Du musst glücklich sein, solchen Neffen zu haben.«
    »Ja«, kam es knapp von Mildred.
    »Ich wäre auch glücklich, wenn ich meiner Schwester Kind bei mir hätte. Annette ist blond, so wie deine Schwester. Gut möglich, dass ihr Kind so reizend wäre wie der kleine Louis Weaver.«
    Eine Schwester? Der Deutsche hatte eine Schwester? Hector besaß das Gedächtnis eines Elefanten, aber er wollte kein Risiko eingehen, sondern langte lautlos nach dem Spind und entnahm ihm Papier und Federhalter.
    »Hast du mich nicht gehört?«, schrie Mildred. »Der Lieferant wird nicht ewig auf mich warten, und wenn er die Sachen wieder mitnimmt, kann ich mich begraben. Meine Gäste kommen morgen. Ich habe alle vier Zimmer auf Anhieb belegt.«
    Der Deutsche trat auf sie zu, vielleicht packte er sie an den Armen. Trug sie wieder ein Kleid, das ihre sinnliche Fülle wie ein Gefängnis umschloss? Es gab Frauen, die wurden schon sündig geboren, sie hätten in ein Kloster gehen können und wären doch Schlampen geblieben. »Höre, Mildred«, beschwor sie der Deutsche, »als ich das gesagt habe, meinte ich nicht, du solltest dich in dem Geschäft versuchen. Ich habe an mich gedacht, verstehst du? Es ist eine harte Welt da draußen, zu hart für eine Frau. Wenn aber du und ich uns zusammentäten …«
    »Erzähl mir nichts von der Welt«, fuhr Mildred ihn an. »Ich bin aus Whitechapel. Mir macht über die Welt kein Mensch etwas vor. Hilfst du mir, wie du’s versprochen hast? Wenn nicht, halt mich nicht länger hin, denn dann muss ich mich sputen und den Lieferanten bitten, mich auf andere Art bezahlen zu lassen.«
    »Mildred!«
    »Ich bin aus Whitechapel«, erklärte sie noch einmal. »Von allem, was ich mir wünschte, habe ich nichts bekommen, nur das verdammte Haus, und das Haus gebe ich nicht her.«
    Wieder hörte Hector das Papier in den Händen des Deutschen rascheln. »Das ist sehr viel Geld«, vernahm er dessen Stimme.
    »Ja, und ich brauche noch einmal das Doppelte, andernfalls stehe ich nächste Woche nicht besser da als heute.«
    »Das wäre alles, was ich gespart habe.«
    »Ich zahle es dir zurück«, sagte Mildred. »Sobald meine Gäste ihre Zeche begleichen. Ich zahle dir Zins dafür.«
    »Ich nehme von dir keinen Zins. Aber wenn dir so viel daran liegt, ein Hotel zu führen, warum tun wir es nicht gemeinsam? Wir könnten Teilhaber werden, wir wollen beide dasselbe …«
    Weh tat, dass er recht hatte. Sie wollten dasselbe, sie konnten einander etwas geben, das Hector sich sehnlichst wünschte und nirgendwo bekam. War er März nicht ein Wohltäter gewesen, hatte er nicht die gestrandete Mildred in seine Pension aufgenommen? So dankten sie es ihm – indem sie ihn vergaßen und sich wie Tiere aufeinanderstürzten.
    »Du?«, rief Mildred. »Du als Teilhaber von Mount Othrys?« Und dann warf sie gewiss den Kopf mit dem wilden Haar in den Nacken und lachte. »Weißt du überhaupt, was du redest, weißt du, wie vermessen du bist?«
    Mit einem Schlag war der Schmerz verflogen. Hector hörte auf mitzuschreiben und verharrte. März sagte lange Zeit nichts. Ein Scharren ließ vermuten, dass einer von beiden sich rührte. »Ich habe das Geld nicht hier«, hörte er März schließlich sprechen. »Geh nach Hause, sag deinem Lieferanten, es kommt gleich jemand, der die Summe bringt. Ich gehe zur Post und hebe alles ab. Ich kann nur hoffen, dass Mr Weaver nicht aufkreuzt, denn dann wird er mich hindern zu gehen.«
    Hector hätte sich einen Spaß daraus machen können, aber er tat es nicht. Stattdessen ergänzte er seine Notizen und schrieb das Wort Hotel ganz oben auf den Bogen. Was März erkannt hatte, wusste er seit langem, in der Hotelbranche lag die Zukunft der Stadt. Der berauschende Erfolg der Gasanstalt hatte ihn davon abgelenkt, aber jetzt würde er schleunigst Nägel mit Köpfen machen. Das andere, was sich im Raum nebenan ereignet hatte, war jedoch noch unendlich erregender.
    Der

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