Die Mondscheinbaeckerin
natürlich nicht, aber immerhin gehtâs schnell. Lass es wegmachen. Ich schick dir Geld.« Er klang erleichtert.
Sie spürte Hass in sich aufsteigen.
Sie sollte abtreiben lassen? Er wollte das Kind nicht und gönnte es auch ihr nicht. Wie hatte sie nur glauben können, so jemanden zu lieben? »Nein, das schaff ich allein.«
»Lass dir helfen.«
»Du hast mir schon genug geholfen«, entgegnete sie und legte auf.
Es ihrem Vater zu sagen war schrecklich. Als ihr Therapeut sie dazu brachte, ihn anzurufen, wollte ihr Vater, dass sie sofort nach Hause kam, weil er meinte, sie sei an der Collier schwanger geworden. Sie gestand ihm, dass es noch in Mullaby passiert war, nannte ihm jedoch nicht den Namen des Vaters. Am Ende einigten sie sich darauf, dass sie an der Collier blieb. SchlieÃlich war sie nicht die einzige Schwangere dort.
Im dritten Monat entwickelte sie einen HeiÃhunger auf Kuchen. Es gab Zeiten, in denen sie meinte, deswegen den Verstand zu verlieren. Ihr Therapeut erklärte ihr, dass solche Gelüste in der Schwangerschaft ganz normal seien, doch Julia wusste es besser. Dieses Kind, das in ihrem Bauch heranwuchs, besaà offenbar Sawyers sechsten Sinn für SüÃes. Wenn Julia während des Tages nicht genug SüÃes bekam, schlich sie sich abends aus dem Schlafsaal in die Cafeteria, wo sie ihren ersten Kuchen buk. Nach einer Weile beherrschte sie das Backen ziemlich gut, weil es das Einzige war, was das Kind in ihrem Bauch beruhigte. Auch auf die Schule hatte es eine ungewöhnliche Wirkung. Während ihrer nächtlichen Backaktionen wehte der Duft von Kuchen durch die Gänge, und selbst die Mädchen, die sonst düstere Träume hatten, träumten nun von ihrer geliebten Oma oder Geburtstagsfeiern längst vergangener Tage.
Im fünften Monat der Schwangerschaft begann Julias Therapeut, mit ihr über Adoptionsmöglichkeiten zu sprechen, doch sie weigerte sich beharrlich, sich darüber Gedanken zu machen. In jeder Sitzung fragte ihr Therapeut: Wie willst du allein für das Kind sorgen? Julia bekam es mit der Angst zu tun. Die einzige Lösung war ihr Vater, aber als sie ihn darauf ansprach, sagte er Nein. Beverly wolle kein Baby im Haus.
Im Frühjahr bekam sie im Französischunterricht heftige Wehen. Es ging alles so schnell, dass sie im Notarztwagen, noch auf dem Weg ins Krankenhaus, entbunden wurde. Sie spürte die Frustration und Ungeduld des Kindes, auf die Welt zu kommen. Julia konnte sie nicht stoppen. Ihre Tochter hatte ihren eigenen Kopf. Nach der Geburt beklagte sich die Kleine lauthals darüber, wie beschwerlich die Reise gewesen war, wie alte Damen in Tweedmänteln sich über lange Zugfahrten in die Stadt beklagen. Darüber musste Julia lachen, die das quengelnde Baby im Notarztwagen im Arm hielt. Sie fand die Kleine, die Sawyers blonde Haare und blaue Augen hatte, wunderschön.
Als Julias Vater sie am nächsten Tag im Krankenhaus in Maryland besuchte, bat sie ihn das letzte Mal, sie und das Baby bei sich aufzunehmen.
Doch er sagte, seine Kappe verlegen in den Händen drehend, wieder Nein. Danach versuchte sie nicht mehr, eine echte Beziehung zu ihrem Vater aufzubauen. Danach war nichts mehr wie früher.
Ihre Tochter wegzugeben war die schwerste Entscheidung ihres Lebens. Julia wusste, dass sie jetzt, da das Kind geboren war, nicht allein dafür sorgen konnte. Sie schaffte es ja kaum, für sich selbst zu sorgen. Julia hasste Beverly dafür, dass sie keinen Säugling im Haus wollte, und ihren Vater seiner Schwäche wegen. Aber am meisten hasste sie Sawyer. Wenn er sie nur geliebt und ihr geholfen hätte! Dann hätte sie das Kind behalten können. Er nahm ihr den einzigen Menschen auf der Welt, der sie je ganz brauchen und den sie ihr Leben lang lieben würde.
Man teilte ihr mit, dass ein Paar aus Washington, D . C ., die Kleine adoptiert habe. Julia erhielt zwei Fotos, das offizielle Krankenhausfoto und eines von Julia im Krankenbett mit ihrer Tochter auf dem Arm â warm und weich und rosig. Julia steckte die Bilder sofort weg, weil es ihr zu wehtat, sie zu betrachten, und entdeckte sie Jahre später in einem alten Schulbuch, als sie nach dem College ihre Sachen packte.
Es dauerte eine Weile, bis sie ihr seelisches Gleichgewicht wiedererlangte. Kurz nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus fing sie erneut an, sich selbst zu verletzen. Ihr Schultherapeut bemühte sich sehr,
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