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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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gut?«
    »Je ne comprends pas«, wiederholte Marianne. Aber sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Marieclaude sah es auch. Zum Glück kann sie keine Gedanken lesen, dachte Marianne, die Yann Gamé vor sich sah und noch in ihren Fingern spürte, wie sich im Garten von Pascale ihre Hände berührt hatten.
    »Colette, welchen Liebhaber können wir heute empfehlen?«, fragte Marieclaude die Galeristin. Neben ihr fühlte sich Marianne augenblicklich noch schlechter gekleidet.
    Colette sah Marianne aus ihren Katzenaugen an. Zahlreiche Fältchen konkurrierten miteinander, doch Marianne fand die schlanke Frau mit der geraden Balletthaltung und ihren sechsundsechzig Jahren sehr beeindruckend.
    »Wir sollten Madame fragen, was ihr vorschwebt«, antwortete Colette. »Es gibt Männer, die fürs Leben gut sind, sich aber nicht als Liebhaber eignen. Dann gibt es welche für den Sex, die wollen aber mit Schwierigkeiten oder Gefühlen nichts zu tun haben.«
    »Ja. Und dann gibt es noch die, die beides nicht können«, resümierte Marieclaude. »Die hatte ich immer«, fügte sie noch seufzend hinzu.
    Gemeinsam verließen Marianne und Colette den Salon und gingen die abschüssige Gasse hinab. Als sie an der Modeboutique vorbeikamen, hielt Marianne inne.
    »Bitte«, begann sie, »wollen Sie mir helfen? Ich brauche …« Sie zeigte auf ihre Kleidung. »Ich brauche Stil«, sagte Marianne schlicht.
    »Mode hat nichts mit Stil zu tun«, sagte Colette mit ihrer rauchigen Stimme. »Es kommt nur darauf an, ob Sie etwas verbergen wollen. Oder ob Sie zeigen wollen, wer Sie sind.«
    Sie reichte Marianne ihren Arm. »Kommen Sie. Schauen wir, welche Frau Sie in sich versteckt halten. Und wenn wir sie getroffen haben, werden wir ihr auch nicht vorwerfen, wo sie die ganze Zeit geblieben ist, d’accord?«

    Im ersten Stockwerk der Boutique machte Colette es sich mit einem weiteren Bellini und einer Zigarette in einem Sessel bequem und instruierte Katell, die Verkäuferin. Während diese die ersten Kleidungsstücke zusammensuchte, fiel Colette scheinbar unabsichtlich eine kleine Geschichte zu Madame Loos, ihrer ehemaligen Nachbarin in Paris, ein.
    »Sie war eine Frau, die sich streng versteckt hielt«, begann Colette und sortierte den Kleiderhaufen, den Katell angeschleppt hatte, mit sicherer Hand in zwei Hügel.
    »Madame Loos hatte zeit ihres Lebens sehr gut funktioniert. In ihrer Ehe, mit den Kindern, in der Arbeit. Immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Immer nett, höflich, unauffällig gekleidet. Aber eines Nachts« – Colette beugte sich vor und musterte Marianne, als diese unsicher ein reizendes Kleid in der Farbe reifer Mirabellen hin und her wendete –, »eines Nachts geschah etwas.«
    Marianne glitt in einen champagnerfarbenen, weichen Rollkragenpullover. Er betonte ihre Taille und ihren Busen; sie hatte noch nie einen so engen Pullover getragen. Ihre neue Haarfarbe leuchtete umso mehr. Dann schlüpfte sie in eine lässige dunkle Jeans, die ihr Colette bereitgelegt hatte.
    »Madame Loos klopfte wie verrückt an meine Tür. Sie brauchte meinen Wagen, ihre jüngere Schwester läge in Dijon im Sterben. Natürlich gab ich ihr die Schlüssel. Sie raste los, aber auf der Place de la Concorde hatte sie einen Auffahrunfall; in der Aufregung verpasste sie dem Polizisten eine Ohrfeige, flüchtete dann mit einem Mann aus Rennes, erzählte ihm ihre Lebensgeschichte, hatte Sex mit ihm, lieh sich sein Auto und kam zu spät – ihre Schwester war tot. Das sieht übrigens gut aus, probieren Sie diese Pumps dazu.«
    Colette stand auf und trat hinter Marianne an den Spiegel.
    »Madame Loos brachte das Auto zurück, verbrachte noch mal eine Nacht mit dem Mann und kam als eine völlig andere Frau in Paris wieder an. Mit dem Bus.«
    Colette reichte Marianne eine federleichte, zartmaschige Strickjacke, die weich und fließend um ihren Körper schwang.
    Als Marianne sich im Spiegel drehte und wendete, sah sie eine Frau, nicht mehr ganz jung – aber très chic. Weiblich. Nur der scheue Rehblick passte nicht dazu.
    »Madame Loos hatte es geschafft, sich aus ihrem Versteck zu befreien, ihren Mann samt Mätresse hinauszuwerfen und sich mit einem Teesalon selbständig zu machen.« Colette legte Marianne sanft eine Bernsteinkette um den Hals.
    »Und der Mann aus Rennes?«
    »Völlig nebensächlich.«
    Colette nahm ihre Sonnenbrille ab und setzte sie Marianne zärtlich aufs Gesicht. »Vielleicht ist es nötig, ein bisschen rücksichtslos zu

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