Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
Grundstück verflucht und war schuld an Madame Gallernes Krankheit. Valérie Morice! Und sie war immer so nett zu ihnen. Aber eine Frau ohne Mann. Mit zwei Kindern, von denen keiner weiß, woher sie kommen! Sie war es, die die armen Menschen verflucht hatte, aus lauter Freude am Bösen! La Mer hob den Fluch dann für 152 Euro auf.«
»152 Euro«, wiederholte Colette ungläubig. »Das ist eine Menge Geld dafür, dass er Frauen denunziert!«
Dafür handelte sie sich einen strengen Blick des Bäckers ein. »Schutz vor bösem Zauber ist unbezahlbar! La Mer nimmt für die Aufhebung böser Zaubersprüche auf Bauernhöfen 152 Euro, auf Geschäften 122 Euro und auf Häusern 92 Euro.«
»Und die Morice?«, fragte die Bäckerin begierig.
»Ha! Die! Die erstattete glatt Anzeige – wegen Rufmords! Das ganze Dorf sei auf Hexenjagd nach ihr gewesen! Ihre Kinder in der Schule bespuckt! Da hat sie La Mer verflucht, und nun ist seine Kraft ins Wanken geraten. Wir müssen beten, dass er es überwindet.«
»Also, ich glaube nicht an Wunderheiler«, betonte Colette, »die wie dieser La Mer mit dem nassen Lappen in der Hand ums Haus rennen und den Teufel damit vertreiben. Ich glaube vielmehr, die Baguettes und flûtes können aus dem Ofen. Géraldine, darf ich bitten? Oder verkauft man hier kein Brot mehr an normale Leute?«
Als Marianne und Colette kichernd aus der boulangerie traten, stieß Marianne mit einem Mann zusammen, der gedankenversunken in den Himmel blickte. Sie entschuldigte sich und schob sich die Sonnenbrille zurück über die Augen.
»Yann!«, freute sich die Galeristin. Nach den obligatorischen drei Wangenküssen wandte Colette sich an Marianne.
»Darf ich Ihnen den meistunterschätzten Maler Frankreichs vorstellen, Madame? Yann Gamé.«
Marianne spürte, wie das Blubbern der Bläschen in ihrer Brust stärker wurde. Wie er sie ansah!
Diesmal nahm Yann Mariannes Hand und zog sie an sich. Die Kraft in seiner Hand war betörend.
»Salut, Mariann«, sagte er ernst.
Sie schloss unwillkürlich die Augen, als Yanns Mund sanft ihre Wange berührte. Er küsste sie links, er küsste sie rechts, und beim dritten Mal war sein Kuss unendlich zärtlich und berührte fast ihre Mundwinkel. Sie selbst hatte ihn nicht geküsst, kein Muskel in ihr war zu irgendetwas fähig. Marianne befürchtete, sie würde einfach stocksteif bleiben wie ein verwachsener Eichenzweig.
»Salut, Yann.« Ihre Stimme ein brechender Ast.
Himmel! Er konnte nicht wissen, dass er der erste Mann seit Lothar war, der sie küsste! Hier küssten sich alle, ständig; aber für Marianne war ein Kuss so intim wie … O Maria, ihre Gedanken sprangen umher wie ein Spatz. Sie dachte an Lothar, und sie dachte an das, was nach dem Küssen kommen konnte.
»Alors, die Arbeit ruft. Ein paar verrückte Engländer kommen und wollen ihr gesamtes Haus mit Bildern bestücken. Dabei werde ich sie nicht aufhalten.« Colette sah auf die Uhr. »Ich muss los. Yann, wie wäre es – zeig Madame doch den gelben Christus in der Chapelle de Trémalo. Damit sie weiß, warum das hier das pays de Gauguin genannt wird, diese Keksdosen mit diesen Klompenfrauen machen einen ja völlig désolée. Ja? Merci, mon ami, adieu!«
Und mit diesen Worten empfahl sich Colette und ließ Marianne und Yann allein mit sich und ihrem beredten Schweigen zurück.
Marianne hatte das Gefühl, sie würde gleich in Ohnmacht fallen.
»Madame, würden Sie mir die Freude machen und mit mir am Donnerstag … auf ein enterrement gehen?«
Yann verfluchte seine Worte schon in dem Moment, als er sie ausgesprochen hatte. Warum war ihm nichts anderes eingefallen?
Dieu, er hatte wirklich keinerlei Erfahrung mehr, eine Frau zu umwerben. Aber jetzt war es schon heraus.
Marianne hatte nicht verstanden, was genau Yann ihr vorgeschlagen hatte. Aber dass er sie wiedersehen wollte, das hatte sie begriffen. In ihr platzten die Bläschen, es war pures Glück.
Marianne fühlte sich plötzlich schuldig, glücklich zu sein, als ob sie bereits fremdgehen und Lothar betrügen würde.
Als Yann sie in seinem altersschwachen R4 zurück nach Kerdruc fuhr, redeten sie nicht, sondern schauten sich immer wieder nur an und lasen im Gesicht des anderen so erstaunt, als ob sie gerade erst das Alphabet der knospenden Liebe lernten.
25
A ls Yann sie abholte, wartete sie bereits seit zwanzig Minuten auf dem Quai. Marianne hatte es einfach nicht länger ausgehalten, in ihrem Zimmer zu sitzen und sich zu fragen, ob sie auch
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