Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
die Dämmrigkeit gewöhnt hatten und sich sein Körper immer wieder in Madame Gilbert hineinrieb, dachte er an Laurine. Dann vergaß er sie und dachte an nichts mehr; er fühlte nur noch, und manches Mal schrie Madame Gilbert auf vor Schmerz und Verwunderung über seine rücksichtslose Raserei. Erst als er an der Anspannung ihrer Schenkel gespürt hatte, dass sie kam, ließ er los.
Jeanremy liebte Madame Gilbert nicht, deswegen war er ihr Liebhaber. Er war lang nicht mehr bei ihr gewesen, sehr lang, in etwa dieselbe Zeit, wie Jeanremy wusste, dass er wahrhaftig in Laurine verliebt war. Seitdem hatte er mit keiner Frau mehr geschlafen, um sich für Laurine aufzubewahren; was Unsinn war. Und auch wieder nicht.
Madame Gilbert fragte nicht, wo er geblieben war in den zwei Jahren. Sie wusste es, sie hatte Erfahrung, und sie wusste, dass der Genuss eines zwanzig Jahre jüngeren Mannes niemals ewig sein würde.
Sie streichelte Jeanremys feuchtes Haar im Nacken mit den Spitzen ihrer sorgfältig polierten Fingernägel.
Jeanremy war, als ob er in ihren Armen Abschied feierte. Von einer Idee, einer Variante. Er war in einem Grenzland gewesen. Jetzt war er in sein Land zurückgekehrt, darin wuchsen Affären, nichts mit Bestand. Alles konnte vom Wind davongetragen werden. Auf der anderen Seite wäre das Liebesland gewesen. Verwurzelte Dinge, die sich gegen Sturm und Angst stemmten. Laurine-Land.
Mit Madame Gilbert zu schlafen hieß, der Liebe keinen Platz mehr in seinem Leben einzuräumen.
Sie zündete sich eine Zigarette an und zog die Beine an. »Es wird heute noch Sturm geben«, sagte Madame Gilbert.
»Werden Sie mich bald wieder empfangen?«, fragte Jeanremy.
»Du kennst die Zeiten, mon cher. Ruf nicht vorher an, sonst habe ich Zeit, mir auszumalen, was passieren könnte, wenn du da bist.«
»Was denn, Madame? Was malen Sie sich aus?«
Madame Gilbert zog seinen Kopf herab, bis sein Ohr ihre Lippen berührte; ihr Lippenstift war verschmiert von seinen Küssen. Und dann flüsterte sie ihm, was sie sich ausmalte, und während sie redete, schloss er die Augen, und sie redete auch weiter, als er sich wieder über sie und in sie schob, und während sie weiter ihre Erregung mit gesprochenen Bildern ausmalte, kam er ein zweites Mal.
Danach sammelte Jeanremy seine Kleidung ein, das Letzte – seinen Helm und sein Halstuch – fand er auf der Terrasse neben der Liege. In ihrem Glas waren die Eiswürfel geschmolzen und hatten den Orangensaft milchig gefärbt.
Als er sich zu Madame Gilbert beugte, um sie zu küssen, sagte sie: »Wir haben heute übrigens Hochzeitstag. Mein Mann fand es eine gute Idee, unsere dreiundzwanzig Jahre im Ar Mor zu feiern; reservier uns doch bitte einen Tisch, ja, chéri?« Sie sah ihn aus Augen an, die nichts verrieten; es waren zwei helle Murmeln, kühl wie die See.
Auf der Rückfahrt nach Kerdruc klappte Jeanremy den Sichtschutz seines Helms hoch. Als seine Augen zu tränen begannen, konnte er sich sicher sein, dass es der Wind war. Immer nur der Wind, der die Dinge auslöschte und vor sich hertrieb, auch die Tränen.
Als er im Ar Mor angekommen war und an Laurine, die die Abendgedecke auflegte, vorbeiging, sah er ihr nicht in die Augen.
Sie rief ihm leise nach. »Jeanremy? Marianne ist fort! Sie war im Fernsehen, Jeanremy, sie hat einen Mann, der sie sucht, und jetzt fährt sie wohl zu ihm, Jeanremy … Was ist los? Weinst du?«
Laurine kam mit sorgenvollem Blick auf ihn zu.
Jeanremy wich zurück, er trug noch den Geruch von Sex an sich, eine Mischung aus Parfüm und dem Duft von Madame Gilberts Geschlecht an seinem Mund.
Jeanremy brachte den Tresen zwischen sich und Laurine, wusch sich in dem Waschbecken Hände und Gesicht und begann so zu tun, als lese er in dem Reservierungsbuch.
»Die Gilberts kommen zum Essen«, sagte er, »Sie haben reserviert. Sie feiern ihren Hochzeitstag. Wir sollten Blumen auf ihren Tisch stellen.«
Laurine starrte ihn an. »Er hat eben angerufen«, flüsterte sie dann.
»Ja, ich hab Monsieur Gilbert unterwegs getroffen«, beeilte sich Jeanremy zu sagen. »Er wollte aber trotzdem noch mal anrufen.«
»Jeanremy, Monsieur Gilbert hat vom Flughafen Paris aus angerufen.« Ihre Stimme so fragil wie dünnes Glas.
Nach einem langen Schweigen wusste er, dass Laurine klar war, dass er den Nachmittag bei Madame Gilbert verbracht hatte.
»Ich wünschte, du würdest doch weinen«, sagte die Kellnerin.
Bitte nicht, flehte Jeanremy stumm.
Bitte lass das nicht
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