Die Monster-Strige
etwas unterschied ihn von einem Menschen, und genau das gab seinem Namen die entsprechende Berechtigung. Er hatte Flügel wie Engel.
Flügel hatte auch die Monster-Strige.
Flügel, Schwingen, ich überlegte, ob ich da eine Verbindung finden konnte.
Ja, die gab es. Mein Geistesblitz sorgte allerdings für eine Verbindung zwischen dem Eisernen Engel und der Monster-Strige. Hatte sie seinetwegen diesen Dimensionsriß entstehen lassen? War er darauf bedacht, den Eisernen Engel zu finden, um ihm womöglich eine offene Rechnung zu präsentieren? Es waren verflixt kühne Theorien, die mir da durch den Kopf schössen, aber ich mußte in diesem Fall wirklich alle Möglichkeiten durchchecken. Ich wollte schon mit Suko über meine Theorie sprechen, als im Haus das Telefon anschlug. Ken Finlay drehte sich um.
Der Anruf war für ihn, und er lief sofort ins Haus. Er blieb aber nicht dort, es war ihm möglicherweise nicht geheuer, deshalb kehrte er mit dem tragbaren Apparat zurück und blieb vor der Tür während des Gesprächs stehen. Wir hörten nichts, aber wir beobachteten ihn, und sein Mienenspiel sprach Bände. Zuerst war sein Gesicht noch normal gewesen, dann aber zeigte es ein plötzliches Erschrecken, er gab auch Antworten, aber so leise, daß wir nichts verstanden.
Das Gespräch dauerte nicht lange, doch Finlay blieb in einer steifen Haltung stehen. Es dauerte eine Weile, bis er den rechten Arm mit dem Apparat sinken ließ und er dann mit der Hand nachgreifen mußte, um das Gerät noch festhalten zu können.
»Was ist denn los?« fragte Suko.
»Es war der Polizist aus Sundhaden.«
»Und? Was sagt er?«
Ken Finlay sprach ins Leere, als er antwortete: »Wir haben doch nach dem Monster-Vogel gesucht«, flüsterte er. »Das ist jetzt nicht mehr nötig, Freunde. Ich weiß, wo er sich aufhält. Er ist über den Häusern von Sundhaden gesehen worden.«
Scheiße, dachte ich, auch das noch.
Dann wurde es für uns Zeit!
***
Der Eiserne Engel fühlte sich nicht nur allein gelassen, er hatte es auch so gewollt. Ja, er wollte allein sein, um das hervorzuholen, was so schrecklich weit zurücklag. Er hatte geglaubt, es zu vergessen, aber es hatte ihn wieder eingeholt, und das wollte ihm einfach nicht in den Sinn.
Das konnte er nicht begreifen. Mit Kara und Myxin hatte er darüber bewußt nicht gesprochen. Es waren Dinge, die ihn ganz allein etwas angingen, die zu ihm gehörten, und auch jetzt, wo sie plötzlich akut geworden waren, wollte er sich nicht outen.
Damit mußte er selbst fertig werden.
Er hatte auch daran gedacht, das magische Gebiet der Flammenden Steine zu verlassen, doch das hatte er sich nicht getraut, weil er zudem nicht wußte, wohin er sollte. Außerdem wären ihm Myxin und Kara sicherlich gefolgt, sie fühlten sich für ihn verantwortlich, das war nun mal so, denn auch er fühlte sich im Gegensatz dazu für sie verantwortlich.
Sie waren eine verschworene Gemeinschaft, die er nun verlassen mußte. Nicht für immer, nur so lange, bis er seine eigenen Probleme geregelt hatte. Dann würde man weitersehen, falls es noch dazu kam, denn er konnte durchaus verlieren, was seinen glatten Tod bedeutete.
Das Risiko mußte er einfach eingehen. Er war bereit, alles auf eine Karte zu setzen.
Es stimmte schon, was seine Freunde angedeutet hatten. Er selbst hatte bereits Kontakt mit dem Monster-Vogel gehabt. Keinen sichtbaren, sondern einen auf einer anderen Ebene, und den würde er durch die Hilfe der Steinmagie wiederherstellen können. Er drehte noch einmal den Kopf, als er dort stand, wo sich die beiden Schnittlinien kreuzten.
Kara schaute ihn an. In ihrem Gesicht regte sich nichts. Man konnte ihren Blick als ausdruckslos bezeichnen, aber der Eiserne glaubte schon, daß sie sich ihre Gedanken machte. Myxin blieb ebenfalls wie ein Stein auf dem Fleck stehen. Er bewegte aber die Augen, und dem Eisernen kam es so vor wie ein optisches Nicken. Also war er einverstanden.
Kara und Myxin benutzten beide den Mittelpunkt der Steine für ihre Zeitreisen. Das Gebiet hier war so etwas wie ein Kanal in die Vergangenheit, aber auch für die andere Seite, die oft genug versucht hatte, in diese Welt einzudringen. Der Engel wollte nicht fort, wußte aber nicht, ob er bleiben konnte. Es lag nicht in seiner Hand, sondern einzig und allein bei diesem anderen Wesen. Die Augen hielt er geschlossen.
Seine Gedanken drängte er aus der neuen Realität fort. Er wollte seinen Geist öffnen, um der Vergangenheit freie Bahn zu schaffen.
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