Die Monster von Templeton
von ihrem Tode nur so kurz nach dem ihres Ehemannes. Besonders wo ihr Baby, einen ganzen Monat nachdem sie zur ewigen Ruhe gebettet worden war, zur Welt kam! Es muss so entsetzlich schmerzhaft für den Leichnam gewesen sein. Ein wahres Wunder. Doch keine Sorge – niemand hier kennt das genaue Datum ihres Todes, nur ich, denn ich habe mit Ihrer Schwester Marguerite korrespondiert, die es beiläufig erwähnte. Ich werde niemandem Ihr Geheimnis verraten.
Wir haben aber auch eine ganze Menge Geheimnisse miteinander, nicht wahr? Zum Beispiel die Tatsache, dass in jener schicksalsträchtigen Nacht im April fast ganz Templeton abbrannte. Erinnern Sie sich? Natürlich erinnern Sie sich. Die wild läutenden Glocken, die vier Feuerwehreinheiten, die Ketten von Akademieangehörigen und Regimentssoldaten mit ihren Eimern – und doch wurde fast die ganze Second Street ein Raub der Flammen! Die ganze Straße vom Eagle-Hotel bis zum Gemüseladen und vorbei an Schneiders Bäckerei! Dieser ganze Abschnitt brannte nieder, all die kleinen Gebäude, die es schon in den frühen Tagen der Ortsgründung durch Ihren Großvater gegeben hatte! Sogar das hübsche kleine Lederstrumpf-Hotel, von allen seltsamen Orten, nahmen die Flammen mit sich. Können Sie sich das vorstellen: Sie zogen die Skelette von vier unbekannten Frauen und einem Jungen dort heraus – niemand gab zu, eine der Personen gekannt zu haben, außer der riesigen Frau, die das Hotel offenbar vonden beiden kleinen unverheirateten Brüdern aus York gekauft hatte. Da fragt man sich schon, wieso die fünf nicht die Geistesgegenwart gehabt hatten, rechtzeitig zu fliehen. Warum sie sich nicht aufrappeln konnten, um aus dem Gebäude zu laufen – man fragt es sich in der Tat.
Die Stadt wird mittlerweile recht hübsch wiederaufgebaut, obwohl es viele schuldbewusste Gesichter nach dem großen Feuer gab, wissen Sie. Es war entsetzlich. Die alte Mutter Gooding starb in der Wohnung über dem Sattler, wo sie so viele Jahre gelebt hatte. Und natürlich auch dieser schwachsinnige Sohn von Dirk Peck, dem Rechtsanwalt, dieser schmuddelige Junge, der sich beim Anblick einer Frau immer unsittlich berührte. Es heißt, er habe sich ausgerechnet in dem Außengebäude aufgehalten, wo das Feuer begann – manche geben ihm die ganze Schuld daran; das ist eine Nachricht, die Sie vielleicht gerne hören.
Wo wir gerade von Dirk Peck sprachen: Ich habe den armen, schrecklich wohlhabenden Anwalt ein wenig getröstet. Ein gut aussehender Mann, muss ich sagen – er hat insgeheim um meine Hand angehalten, und ich habe ebenso insgeheim ja gesagt, obwohl wir erst heiraten werden, wenn meine Trauerzeit ganz beendet ist. Ich mag ihn. Vielleicht beschließe ich, ihn zu behalten.
Sie haben von der Festnahme Ihres Verlobten in Boston gehört, oder? Wirklich beschämend – er versuchte, als blinder Passagier auf ein Schiff nach Martinique zu gehen, und der französische Leutnant, der ihn erwischte, erkannte ihn von dem Skandal in Nantes – es heißt, er sei der Sohn des Monsieur de la Vallée und habe den Namen seines Kammerdieners, Le Quoi, angenommen. Welche Ironie des Schicksals bei einem solchen Mann!
Noch eine letzte Sache. Ich denke, ich habe hier ein Bündel Briefe, die Sie möglicherweise haben wollen. Könnten wir vielleicht einen Austausch vereinbaren? Darüber könnten wir reden, wenn Sie in unser hübsches Städtchen zurückgekehrt sind. Ich kann es kaum erwarten,Ihren kleinen Neffen auf die Wangen zu küssen. Ich vermute, er ist in seinen jungen Jahren ganz kahl, habe ich recht? Allerdings hoffe ich, dass ihm mit der Zeit doch Ihr üppiges rötlich braunes Haar wächst.
Mit herzlichsten Grüßen
Cinnamon Averell, et cetera, demnächst Peck
Postskriptum:
Ich vergaß, das wichtigste Ereignis aus jener schrecklichen Nacht des Feuers zu erwähnen – aber gewiss ist Ihnen bekannt, dass auch Temple Manor Raub der Flammen wurde. Die Porträts Ihres Großvaters, der Großmutter und Ihres Vaters sind jedoch in Sicherheit gebracht und werden bei den Pomeroys für Sie aufbewahrt. Unglücklicherweise ist allerdings das ganze Mobiliar, das sich noch dort befand, weg. Es ist ein schreckliches Gefühl, wissen Sie, in den Überresten eines solchen Anwesens umherzulaufen. Die verkohlten Balken sehen aus wie das Gerippe eines toten Walfischs, das Quecksilber aus den Spiegeln steht in Lachen auf dem Boden. So viel Geschichte, die binnen einer Nacht zum Raub der Flammen wurde! Ich bemitleide Sie sehr ob
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