Die Monster von Templeton
musste verheiratet werden, und ich verheiratete sie mit Falkenauge. In ihrer Hochzeitsnacht schlug ich mein Lager auf dem Felsen über Lake Otsego auf und dachte an mein Mädchen. Starrte ins Wasser hinab, bis das alte weiße Ungeheuer an die Oberfläche kam. Schaute zu, wie es seinen Bauch zum Nachthimmel drehte, sah, wie es zu einem großen Mond auf dem See wurde, schaute zu, bis es wieder hinabtauchte.
Als Namenlos zum ersten Mal in die Stadt kam, ein verheiratetes Mädchen,eine Frau mit einem Kind unter dem Herzen, blieben alle stehen. So schön war sie. Schöner gar als Rosamond Phinney mit ihren Rosenwangen. Die Pferde blieben stehen, ihre Füße schwebten in der Luft. Die Jungen hörten mit dem Ballspielen auf. Witwe Crogan hörte auf zu kehren, und der Staub wirbelte um sie auf wie ein Staubteufel. Ein Spatz, beeindruckt durch die Schönheit meiner Enkelin, hörte mitten im Flügelschlag auf und fiel zu Boden. Namenlos bewegte sich durch die Stadt, sanft und unschuldig. Jeder sah ihr zu, dachte an Wunder.
Namenlos wurde schwer, sie wurde fett. Der Sommer ging ins Land, füllte sich mit Gold. Es kam der Herbst, und das Gold verblasste. Kühle nahm Besitz von der Luft. Der Schnee fiel. Namenlos’ Zeit war gekommen. Falkenauge glaubte immer noch, dass es seins war. An jenem Tag erwachte er und sang.
Doch ich sang nicht, ich war voller Argwohn. Ein schrecklicher Verdacht. Während ich draußen vor der Hütte saß, machte sich drinnen die Hebamme Bledsoe zu schaffen, vom Whisky lahm, und mein Argwohn war wie eine Krankheit. Davey ging auf dem Pfad am See entlang, voller Angst vor dem, von dem er glaubte, er habe es heraufbeschworen. Er fürchtete, er habe das Mädchen mit seinem Samen getötet. Trunken wie eine Krähe in den Winterbeeren. Ein Dienstmädchen aus dem Herrenhaus kam hoch und machte alles in der Hütte bereit, sauber und rein. Anordnung von der Herrin, sagte das Mädchen. Wohltätigkeit für die Armen.
Es erhoben sich keine Schreie aus jener armen, zungenlosen Kehle. Meine arme Namenlos, mein armes wildes Mädchen. Und jedes Mal, wenn die Hebamme Bledsoe das Haar aus jenem kleinen Gesicht strich, griff ich nach dem Tomahawk an meiner Seite. Wenn das Baby kam und es das war, was ich vermutete, dann wusste ich nicht, ob ich meine Hand davon abhalten konnte, sein Gehirn auf der Feuerstelle zu verspritzen. Oder mit meinen alten Knochen nach Templeton hinunterzulaufen. Den schrecklichen Mann zu finden, der ihr das angetanhatte. Ihn mit einem schönen Schlag zu töten, was ich schon besser getan hätte, als er zum ersten Mal an diesen See kam. Was ich hätte tun sollen, als er damals zum ersten Mal allein an der Felswand über dem See stand. Als er auf die Knie sank und eine Vision hatte. Und bevor er das alles hier, alles und viel zu viel, für sich in Anspruch nahm.
Im Camp Mea-ham-koa-Ku-mea
Ich war eingeschlafen, und in meinem Zimmer war es dunkel, als ich wieder aufwachte. Vi schlief in dem Stuhl neben mir, das Gesicht war ihr auf die Brust gesunken. «Vi», sagte ich sanft, und ebenso übergangslos glitt sie aus dem Schlaf, stand auf und half mir, mich wieder anzuziehen. Sie stand sogar Schmiere, damit ich auf meinem Weg aus dem Krankenhaus keiner Menschenseele begegnen musste. Mir war wieder abwechselnd heiß und kalt, und ich war dankbar, dass es so spät in der Nacht war. Während wir in dem alten Auto durch die dunk le Stadt fuhren, betrachtete ich das bleiche Profil meiner Mutter. «Ich bin es so leid, Vi», sagte ich, während wir über die Lake Street auf dem Weg nach Hause waren.
«Was bist du so leid?», fragte sie.
«Immer den Kürzeren zu ziehen. Irgendwie hab ich den Eindruck, dass ich mein Leben lang den Kürzeren ziehe.»
Vi schaltete in der Auffahrt den Motor ab und starrte auf das Garagentor. In Averell Cottage brannten alle Lichter, Reverend Milkys seekuhförmiger Umriss zeichnete sich an einem Fenster der Diele ab. «Alle Dinge haben einen Grund, Willie», sagte sie. «Vielleicht hast du ja ein bisschen Demütigung gebraucht.»
Mir fehlte die Kraft, um ihr Kontra zu geben. Ich nickte bloß, stieg aus dem Wagen und ging hinter meiner Mutter ins Haus. Sie umarmte Reverend Milky und legte den Kopf an seine fleischige, warme Brust.Ich hörte, wie er in ihr Haar murmelte: «Clarissa sitzt morgen Nachmittag im Flieger», und wie sie mit einem müden Grunzen antwortete. Er warf mir ein Lächeln zu, aus dem so tiefes Mitgefühl sprach, dass ich verwirrt den Kopf senkte. Und
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