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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Sprechweise, ihren Gang, ihr Benehmen, liebte die Art, wie sie ihre Hände hielt und ihre Füße setzte. Ich liebte die Art, wie sie sich beim Tanzen an mich preßte; es war so intim, so vertraulich, so gewagt.
    Aber das hier war wieder einmal eine dieser Parties mit den üblichen Leuten und dem üblichen Drum und Dran. Marianne und ich allein - das war ein inniges und zärtliches SichVerstehen. Aber Marianne und ich und eine Gruppe von Leuten, das war etwas ganz anderes. Sie wandte sich dann naturgemäß ihren Kollegen zu, mit denen sie fachsimpeln konnte. Ich war von solchen Unterhaltungen ausgeschlossen - nicht absichtlich, aber es ergab sich zwangsläufig so, da ich zu einer solchen Unterhaltung nichts beitragen konnte. So stand ich herum, mit einem Glas in der Hand, und wartete gelangweilt, müde und vereinsamt, bis die Party sich auflöste und wir nach Hause gehen konnten.
    Der Heimweg wurde dann schweigend zurückgelegt. Meist gingen wir über den Washington Square, wo die DoppelstockBusse auf ihre Fahrgäste warteten, und unser Atem hing wie Rauchfahnen in der eisigen Nachtluft. Erst wenn wir zu Hause waren, begannen wir zu reden.
    Marianne sagte dann meist: »Nette Party, nicht wahr?«
    Und ich grunzte: »Oh, ja.«
    Dann schwieg sie. Wahrscheinlich wußte sie, daß ich mir nichts daraus machte, daß ich das aber nie zugeben würde.
    Diese Party unterschied sich in nichts von den früheren. Marianne war in Gespräche vertieft, und ich spielte >Mauerblümchen<. Der Abend schleppte sich dahin. Gegen zehn Uhr erschienen ein paar neue Leute, und es bildeten sich weitere Gruppen. Ich wurde allmählich meiner schweigsamen Rolle überdrüssig und erwog den Gedanken, nach Hause zu gehen.
    Ich stellte mein Glas ab und ging zu Marianne, um es ihr zu sagen. Auf dem Wege dahin zupfte mich jemand am Ärmel.
    Es war ein Modell, das gelegentlich für Marianne arbeitete. »Kennen Sie mich noch?« fragte sie lächelnd.
    »Aber ja, natürlich«, sagte ich, hocherfreut, daß ich jemanden gefunden hatte, mit dem ich reden konnte. »Wie geht es Ihnen?«
    »Ich mopse mich zu Tode«, erklärte sie unverblümt.
    Ich lachte. Es war schön, daß noch jemand meine Empfindungen teilte. »Aber warum kommen Sie dann?«
    »Ich muß«, sagte sie. »Mein Beruf - ich habe etwas zu verkaufen.« Mit einer flüchtigen Geste deutete sie auf ihren Körper.
    »Aha, ich verstehe.« Es stimmte. Sie hatte wirklich etwas zu verkaufen.
    »Tanzen?« fragte sie.
    Ich nickte. Wir gingen in eine Ecke, wo das Radio spielte. Sie tanzte gut und gab mir das Gefühl, ein besserer Tänzer zu sein, als ich in Wirklichkeit war. Einige Gäste hörten auf zu reden und sahen uns zu. Mit einem flüchtigen Blick sah ich, daß Marianne und ihre Gruppe ebenfalls schwiegen, als wir an ihnen vorbeitanzten.
    »Ein ungewöhnliches Paar«, hörte ich jemanden zu Marianne sagen. »Warum malst du sie nicht?« Wir kamen außer Hörweite, und so konnte ich Mariannes Antwort nicht verstehen. »Und wie steht's mit Ihnen?« fragte die Blonde.
    »Wieso?« fragte ich.
    »Warum kommen Sie zu diesen Parties? Sie müssen sich hier doch Vorkommen wie ein Fisch auf dem Trockenen.«
    Ich zuckte die Achseln. »Ich habe nichts Besseres zu tun.«
    »Ach so«, sagte sie verständnisvoll und blickte über meine Schulter hinweg zu Marianne. Was sie meinte, war deutlich genug - auf höheren Befehl.
    Plötzlich hatte ich genug vom Tanzen. »Wie wär's mit einem Drink?« fragte ich.
    Wir standen an der Wand und beobachteten die anderen. Ich merkte, daß Marianne uns hin und wieder einen raschen Blick zuwarf.
    Nach einer Weile konnte ich das nicht mehr ertragen. »Wollen wir nicht frische Luft schnappen?« schlug ich vor.
    Das Mädchen nickte zustimmend. Wir nahmen unsere Mäntel und gingen nach draußen. Schweigend wanderten wir durch den Park und durch die Straßen. Einmal blieben wir stehen und beobachteten die Leute, die in einen Bus stiegen. Wir sprachen kein Wort, sondern gingen stumm und Hand in Hand unseres Weges.
    Dann machten wir uns auf den Rückweg. An der Tür des Hauses, in dem die Party stattfand, machte ich halt. »Ich gehe nicht hinein«, erklärte ich. Das waren meine ersten Worte seit Beginn unseres Spaziergangs.
    Sie blickte mich an und sagte: »Ich habe auch keine große Lust, aber ich muß wieder hin. Hab' jemandem versprochen, mit ihm was über die morgige Arbeit abzumachen.«
    Ich hatte den Eindruck, daß sie nicht wieder hingehen würde, wenn ich sie darum bat. Aber ich

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