Die Moralisten
schwieg.
Sie stand einen Augenblick da und betrachtete mich. Dann trat sie lächelnd zurück. »Sie sind ein trübsinniger Kauz, nicht
wahr?«
Ich erwiderte nichts. Sie drehte sich um und ging ins Haus, und ich machte mich auf den Heimweg.
Ich setzte mich in meinen Sessel und las die Morgenzeitung. Kurz nach eins kam Marianne nach Haus. »Hallo«, sagte ich, »wie war die Party?«
»Warum bist du nicht dageblieben? Dann hättest du selbst feststellen können, wie es war.«
Ich merkte, daß sie wütend war, und hielt daher meinen Mund. Ich war nicht in der Stimmung, mit ihr zu streiten.
Sie ging ins Schlafzimmer und kam kurz darauf wieder heraus. »Wo ist Bess?« fragte sie.
Ich nahm an, daß sie das Modell meinte, und blickte lächelnd zu ihr auf. »Auf der Party, denke ich. Ich habe sie an der Tür verabschiedet und bin nach Hause gegangen.«
»Ich habe sie nicht zurückkommen sehen.«
»Ich weiß nicht, was sie gemacht hat, nachdem wir uns getrennt hatten«, sagte ich und lächelte wieder. »Reg dich nicht auf, Baby! Ich habe allmählich den Eindruck, du bist eifersüchtig.«
Die Bemerkung war natürlich genau falsch. Sie sprang beinah an die Decke. »Eifersüchtig!« brüllte sie. »Auf diese kleine Hure! Das fehlte gerade noch! Es hat mir einfach nicht gepaßt -weiter nichts. Wenn du mit mir zu einer Party gehst, erwarte ich, daß du bei mir bleibst. Wie würdest du es denn finden, wenn die Leute über dich reden?«
Ich begann allmählich auch zu kochen. »Laß sie doch reden. Du kannst sie nicht daran hindern. Was geht es uns denn an, was sie sagen?«
»Das ist mir auch schnuppe«, keifte sie. »Aber kannst du dir nicht vorstellen, wie das für mich ist? Sie wissen über uns Bescheid, und du rennst mit dieser kleinen blonden Hure davon.«
»Und kannst du dir vielleicht vorstellen, wie es für mich ist?« fragte ich. »Bei jeder Party werde ich abgelegt wie ein Mantel und wieder mitgenommen, wenn du nach Hause gehst. Um Himmels willen, führ dich doch nicht so lächerlich auf!« Ich zündete mir eine Zigarette an. »Hör auf mit dem Unsinn.«
»Diese gemeine Hure wollte dich bezirzen, sobald sie dich nur gesehen hatte.«
»Sie schien ganz nett zu sein«, sagte ich. »Und was ist denn schon dabei? Hast du es nicht auch so gemacht?«
»Nein, so nicht«, erklärte sie und ging zur Schlafzimmertür. »Aber wenn ich sie hier gefunden hätte, dann hätte ich ihr das Herz aus dem Leibe gerissen.«
Ich mußte lachen. Die Sache wurde allmählich komisch.
»Hast du darum etwa ins Schlafzimmer geschaut, als du
kamst?« fragte ich. »Du hältst mich doch wohl nicht für so
dämlich, daß ich sie hierherbringe, wenn ich mit ihr schlafen wollte.«
Sie kam zurück, stellte sich vor meinen Sessel und sah mich wütend an. Ihre Stimme war scharf, aber beherrscht. »Hör mal zu«, sagte sie. »Merk dir eins: Du gehörst mir. Alles, was du hast, alles, was du bist, alles, was du jemals sein wirst, verdankst du mir. Ich habe es dir gegeben. Und weil ich es dir gegeben habe, kann ich es ebenso rasch wieder fortnehmen. Ohne mit der Wimper zu zucken, kann ich dich dahin zurückstoßen, wo du
hergekommen bist. Wenn du also mit mir irgendwohin gehst,
denk bitte daran. Du bleibst bei mir, ganz egal, ob es dich langweilt, ob es dir gefällt oder nicht. Du gehst, wenn ich es dir sage, nicht vorher.«
Ich kochte innerlich vor Wut, aber ich blieb ruhig sitzen und bemühte mich, mein Temperament zu zügeln. Sie hatte recht. Ich hatte nichts, was mir gehörte. Sogar die Kleidung, die ich trug, und das Geld in meiner Tasche gehörte ihr. »O. k., Baby«,
sagte ich, »wenn du es so wünschst.«
Sie warf mir einen seltsam enttäuschten Blick zu, als habe sie erwartet, daß ich aufbrausen würde. »Ich wünsche es so«, wiederholte sie ein wenig unsicher.
Ich erhob mich aus meinem Sessel und ging ins Schlafzimmer. Ich zog mich rasch aus und ging ins Bett. Ich schlief bald ein. Ich weiß nicht, um welche Zeit ich aufwachte. Sie hatte mich gerufen. »Frank, bist du wach?«
»Jetzt ja«, erwiderte ich. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich sah mich auf einmal, wie ich in Wirklichkeit war - ausgehalten, ein Gigolo!
»Komm her, Liebster«, flüsterte sie.
»Jawohl, mein Herr und Gebieter.« Ich stieg aus den Federn und setzte mich auf die Kante ihres Bettes.
»Nicht dahin, Liebster«, flüsterte sie, und
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