Die Moralisten
immerhin eine Tätigkeit«, sagte sie dickköpfig. »Besser als nichts.«
»Schlimmer als nichts«, entgegnete sie. »Eine Beleidigung für deine Intelligenz, für dein Gehirn, für deine Fähigkeiten. Du bist viel mehr wert. Und warum willst du für eine so lumpige Summe arbeiten, wenn du es nicht nötig hast? Ich kann dir jede Woche das Doppelte geben, wenn du willst.«
Ich verlor allmählich die Geduld. »Aber ich kann nicht dauernd so weiterleben. Das geht einfach nicht. Außerdem ist es mir peinlich, wenn ich dich ewig um Geld bitten muß«, schloß ich ziemlich schwach.
»Das braucht dir wirklich nicht peinlich zu sein, Liebster.« Sie kam zu mir und küßte mich. »Wenn du das Geld hättest und nicht ich, wäre es mir gar nicht peinlich, es von dir anzunehmen.«
»Das ist auch etwas anderes.«
»Das ist gar nichts anderes«, sagte sie. »Wir lieben uns, und alles, was wir besitzen, das teilen wir auch.«
Man konnte nicht mit ihr streiten, wenn sie entschlossen war, reizend zu sein. Und so ging es dann eine Weile weiter. Es war ein leichtes Leben, und ich schätzte ein leichtes Leben. Ich hatte zuviel von der anderen Sorte gehabt. Außerdem hatte ich das Gefühl, daß ich früher oder später Glück haben und eine anständige Stelle finden würde. So ließ ich den Dingen ihren Lauf.
Etwa einen Monat später fiel mir plötzlich auf, daß Gerros Porträt verschwunden war. Statt dessen stand eins von mir da. Ich betrachtete es. Es war sicher ganz gut. Ich verstand nicht sehr viel von diesen Dingen. Aber bei näherer Betrachtung kam es mir so vor, als ob ich das gar nicht wäre. Mein Porträt erschien mir zu entspannt, zu phlegmatisch, zu ungezwungen. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, daß irgend etwas nicht stimmte.
»Gefällt es dir, Liebster?« hörte ich Mariannes Stimme hinter mir.
Ich drehte mich um. »Es ist sehr hübsch«, sagte ich höflich.
»Es ist für dich - ein Geschenk; weil du so wundervoll bist und mich glücklich machst.« Sie küßte mich.
»Vielen Dank.«
»Nichts zu danken«, sagte sie. »Ich wollte dich gern malen. Aber es war schwierig, dich zu malen, ohne daß du es merktest. Ich mußte dich in den seltsamsten Augenblicken malen.«
»Das kann ich mir denken.«
»Du scheinst nicht sehr glücklich zu sein«, sagte sie betroffen. »Was ist?«
»Wo ist Gerros Bild?« fragte ich.
»Oh, sein Bild!« sagte sie und setzte sich in einen Sessel.
»Mein Agent hat es gesehen und meinte, er könnte einen guten Preis dafür bekommen. Da habe ich es ihm zum Verkauf überlassen.«
»Er soll es dir zurückgeben. Ich möchte es haben.«
Sie sah mich mit großen Augen an. »Wozu um Himmels willen?«
»Ich möchte es einfach haben. Hol es dir wieder.« Ich wußte selbst nicht, warum ich es haben wollte.
Sie wurde allmählich wütend. »Wenn du mir einen guten Grund angeben kannst, werde ich dir den Wunsch erfüllen«, sagte sie hitzig. »Aber es ist mir schleierhaft, warum du das Bild haben willst.«
Ich nahm mein Porträt vom Tisch. »Das hier ist ein sehr hübsches Porträt. Das ist aber auch alles - ein sehr hübsches, schmeichelhaftes Porträt. Völlig nichtssagend. Es zeigt mein Äußeres. Vielleicht steckt auch gar nichts in mir, was man auf der Leinwand festhalten könnte. Aber in Gerro steckte etwas,
und das hast du in seinem Bild herausgebracht. Und wenn du das nicht ertragen kannst, was du in dem Porträt herausgeholt hast, und wenn du das Bild durch dieses einschläfernde Ding von mir ersetzen willst, dann bist du auf dem falschen Weg. Diese Dinge lassen sich nicht so einfach begraben. Und wenn du das Bild nicht haben willst, ich jedenfalls möchte es haben.«
Sie stand plötzlich mit einer heftigen Bewegung auf. Ich merkte, daß ich, obgleich ich kaum etwas von Malerei verstand, den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. »Ich werde es nicht zurückholen.« Ihre Stimme war laut. »Was bildest du dir eigentlich ein, daß du glaubst, mir Vorschriften machen zu können? Du bist nicht gerade in der Position, mir Befehle zu erteilen.«
Ich nahm das Porträt aus dem Rahmen. Langsam fing ich an, es in kleine Stücke zu zerreißen. »Schrei nicht wie ein Fischweib«, sagte ich ruhig, obwohl es in mir kochte.
Sie kam auf mich zu, als sie sah, daß ich das Porträt zerrissen hatte. Mit den Fäusten schlug sie mir ins Gesicht. Sie tobte, weinte und schrie. »Du Ignorant! Du Banause! Nur weil ich für dich sorge und nett zu dir bin, glaubst du, daß ich dir gehöre. Verdammt! Ich möchte
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