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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Schwester. »Denken Sie bitte daran, was ich Ihnen gesagt habe.«
    »Bestimmt, Doktor. Und vielen, vielen Dank für alles.« Ich reichte ihm die Hand.
    Für einen Moment blickte er überrascht auf meine Hand. Dann nahm er sie. Die Schwester kam mit meinen Sachen. Ich zog mich an und verließ das Krankenhaus.
    Ich sah auf die Uhr auf der anderen Straßenseite - elf Uhr.
    Jetzt mußte eine Sache erledigt werden. Ich machte mich auf den Weg in die obere Stadt. Heute mußte ich Silk Fennelli finden. Er würde sich daran erinnern, was ich für ihn getan hatte. Wahrscheinlich hatte ich ihm das Leben gerettet, weil ich ihn rechtzeitig ins Krankenhaus geschafft hatte. Heute würde es sich herausstellen. Wenn ich schon den Weg in mein altes Leben zurückgehen mußte, dann auch ganz.
    Er konnte mich nicht abweisen.
    SECHSTER TEIL
    Ein paar Männer saßen um den Tisch und spielten Poker, als ich in das verrauchte Zimmer trat. Sie unterbrachen ihr Spiel und starrten mich an.
    »Wo ist Fenne lli?« fragte ich.
    Piggy Laurens, der sich selbst für einen großen Witzbold hielt, erhob sich und kam zu mir herüber. »Hau ab, du Knülch!« sagte er. »Fennelli gibt keine Almosen.«
    Ich schloß in aller Ruhe die Tür hinter mir, ging weiter in das Zimmer hinein und stellte mich vor Piggy. Meine Hände hingen lose an der Seite. Mein Gesicht blieb völlig ausdruckslos, meine Stimme war gleichmäßig flach, beherrscht, hart und ruhig. Ich sah Piggy fest an. »Von billigen Handlangern lasse ich mir nichts sagen«, erklärte ich.
    Piggy lief rot an und trat einen Schritt vor. Dann sah er meine Augen. Piggy war durchaus kein Feigling, aber was er darin las, behagte ihm nicht. Es war jedoch zu spät für einen Rückzug. Jetzt war er an der Reihe. Er trat noch einen Schritt vor.
    Die Männer am Tisch sahen interessiert zu und waren gespannt, wie lange es wohl dauern würde, bis ich verduftete.
    Piggys Hände machten eine drohende Bewegung nach seiner Tasche, aber meine Stimme ließ sie zu einer leeren Geste erstarren.
    »Wenn Sie das tun«, sagte ich kaltblütig, »mache ich Sie hin.«
    Plötzlich ertönte Silks Stimme von der Tür des Hinterzimmers. »Setz dich, Piggy.«
    Piggy kehrte zu seinem Stuhl zurück und ließ sich mit einem unbehaglichen Gefühl nieder.
    Fennelli und ich starrten uns über die ganze Länge des
    Raumes hinweg an. Einen Augenblick lang herrschte tiefe Stille. Dann ging ich auf ihn zu.
    »Ich komme wegen der Arbeit, die Sie mir versprochen haben«, sagte ich und blieb vor Fennelli stehen.
    Fennelli warf mir einen abschätzenden Blick zu, trat dann zur Seite und lud mich mit einer Handbewegung ein, in das nächste Zimmer zu treten.
    »Du hast dir verdammt lange Zeit gelassen, bis du den Weg zu mir gefunden hast, Frankie«, sagte er, als ich die Tür zumachte.
    Fennelli gab mir zunächst einen Posten als Wettensammler. Doch ich blieb nicht lange bei dieser Tätigkeit. Ich konnte mehr als das. Ich konnte organisieren. Schon nach kurzer Zeit hatte ich andere unter mir, die die Wetten für mich einsammelten, und ich teilte die Kommissionen mit ihnen. Dann nahm Silk mich in die Bande auf und übertrug mir die Aufsicht über alle seine Wettensammler.
    Für die anderen in diesem Unternehmen blieb ich immer ein Fremder. Fennelli war der einzige, der wußte, wer ich war und woher ich kam, und Fennelli redete nicht.
    Ich saß rechts von Fennelli am Tisch. Die Stadt war bei der Versammlung gut vertreten: Madigan und Moscowits von Bronx, Luigerro von Süd-Brooklyn, »Fats« Crown von Brownsville, »Big Black« Carvell von Harlem, Schutz von Yorkville, Taylor von Richmond, Jensen von Queens, Riordan von Staten Island, Antone von Greenwich Village, Kelly von Washington Heights.
    Wir trafen uns in einem Hotelzimmer und machten den Eindruck einer Aufsichtsratsversammlung einer großen Gesellschaft. Vor jedem lag ein Notizblock mit Bleistift auf dem Tisch, und überall standen Zigarren, Zigaretten und Aschenbecher. Es war gegen zwei Uhr nachmittags, und die
    Sonne flutete durch die offenen Fenster, als Fennelli sich von seinem Platz erhob, um seine Rede zu halten.
    »Ihr wißt alle, warum ihr zu dieser Besprechung eingeladen seid. Man spricht davon, daß der Gouverneur einen besonderen Staatsanwalt ernennen will, um die Stadt zu säubern. Wenn ein Bursche ernannt wird, den wir uns nicht einkaufen können, sind wir erledigt, es sei denn, wir machen zuerst einmal bei uns sauber.« Fennellis Stimme war leise und angenehm. Er wirkte wie ein

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