Die Moralisten
vor. »Das ist mein Freund Frankie. Ich hab' dir ja von ihm erzählt.«
Plötzlich wurde ich mir meines geflickten Hemdes und meiner alten Hose bewußt.
»Freut mich, dich kennenzulernen«, sagte Jerrys Vater und schüttelte mir die Hand.
Dann kam der Butler und bat zum Essen, und wir gingen alle ins Eßzimmer.
Der Eßtisch war riesig, und die Fülle von Messern, Gabeln und Löffeln verwirrte mich, aber ich beobachtete Jerry und wurde recht gut mit allem fertig. Als Dessert gab es Eiscreme. Dann gingen wir wieder in die Bibliothek zurück.
»Jerry sagte mir, daß er dich gern mit aufs Land nehmen möchte«, sagte Mr. Cowan.
»Ja, Sir, ich bin Ihnen sehr dankbar für die Einladung, aber ich kann leider nicht mitkommen.«
»Nanu«, sagte Mr. Cowan. »Verstößt es etwa gegen die Vorschriften des - hm - Waisenhauses?«
»O nein, Sir, aber sich habe einen Job für den Sommer angenommen, und den kann ich nicht aufgeben.«
»Aber die Landluft wäre viel besser für dich als die Arbeit in der heißen Stadt«, sagte Mrs. Cowan.
»Ja, Ma'am, ich weiß, Ma'am.« Ich wollte ihre Gefühle nicht verletzen, denn ich mochte sie gern. »Aber ich brauche einiges. Im September komme ich auf die Oberschule, und etwas Zaster
- ich meine - Geld ist dafürschon nötig. Sie verstehen sicher, was ich meine: Ich möchte gern... ein wenig wie die anderen sein - nicht immer auf Barmherzigkeit angewiesen. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich unhöflich erscheine.«
Sie nahm mich bei der Hand. »Du bist ein feiner Kerl«, sagte sie.
Etwas später verließen uns Mr. und Mrs. Cowan, weil sie irgendwo eine Verabredung hatten, und wir gingen nach oben in Jerrys Zimmer.
Dieser Sommer war der erste, in dem ich viel mit anderen Menschen zusammen war. Ich lernte, mit ihnen auszukommen, mit ihnen zu spaßen und zu lachen und nicht jede Beleidigung tragisch zu nehmen. Ich lernte vieles in diesem Sommer, und Julie lehrte mich das meiste.
Am Tage nach meiner Schulentlassung aus der Volksschule hatte Marty mich wieder zum Abendessen eingeladen. Seine Eltern waren an diesem Abend nicht zu Hause.
Ich kam zeitig, Marty empfing mich an der Tür. »Na, wie wär's, wenn wir jetzt ein wenig boxen?« sagte er. »Dann können wir nach dem Essen faulenzen.«
»O. k.«, erwiderte ich.
Wir hatten fast eine Stunde geboxt, als Julie den Kopf zur Tür hereinsteckte. »Das Essen ist fertig«, sagte sie.
Wir streiften die Handschuhe ab, und ich wusch mir die Hände. Marty wollte duschen. Ich ging in die Küche, um auf ihn zu warten.
»Wo ist Marty?« fragte Julie.
»Er duscht«, sagte ich, »er wird gleich kommen.«
Sie trug einen enganliegenden Kittel, der an der Seite gebunden war. Wenn man von ihrem Gang absah, wirkte sie darin fast wie ein Kind. »Was macht der Boxunterricht?« fragte sie und nahm meine Hände.
»Sehr gut, Marty macht sich.«
»Und deine anderen Lektionen?« fragte sie lächelnd.
»Was für andere Lektionen?« fragte ich dumm.
»Diese«, sagte sie und zog meine Arme um ihren Körper.
Ich preßte sie fest an mich. Ihr warmer Leib gab mir ein
wohliges Gefühl. Ihre lebendige Wärme weckte mein Verlangen. Ich küßte sie auf den Mund. Sie schloß die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war ihr Blick weich und verschwommen.
Sie legte den Kopf auf die Seite. »Küß mich hier.« Sie deutete auf ihre Kehle.
»Warum?« fragte ich.
»Weil ich es gern hab', du Dummkopf. Du wirst es auch gern haben. Liebst du mich nicht?«
»Das ist ja Kinderei«, sagte ich verlegen.
»Kinderei?« Sie blickte mich mit geheucheltem Erstaunen an. »Und wie alt bist du, wenn ich fragen darf, Mr. Methusalem?«
»Ich bin fast sechzehn.«
»Nun, ich bin fast vier Jahre älter als du, und ich halte es nicht für Kinderei. Küß mich.« Ich küßte sie auf die Kehle. Zuerst schien es seltsam, dann aber war es herrlich. Sie führte meine Hand auf ihre Brust. Die war weich und warm, und ich spürte, wie sich ihre Brustwarze unter meiner Hand aufrichtete. »Sag, daß du mich liebst«, flüsterte sie.
Ich schüttelte den Kopf. Immer noch küßte ich ihre Kehle. Ich drängte sie fester an mich.
»Sag es!« befahl sie. »Sag: >Julie, ich liebe dich!<«
Ich brachte meine Lippen näher an die ihren und sagte nichts. Wir hörten Martin pfeifen, als er aus dem Badezimmer kam, und rissen uns voneinander los. Ich blickte sie an. Sie war schön. Ihre Augen blitzten, und ihr Mund war noch gespitzt von unseren Küssen.
»Ich werde dich zwingen, es zu sagen -
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