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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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war keine gute Sache.
    Es war mir zu aufregend.
    »Du bist sehr stark«, sagte sie und preßte sich gegen mich.
    Sie war etwas größer als ich und hatte schwarzes Haar und einen vollen, üppigen Mund. In ihren Augen lag ein merkwürdiger Ausdruck. Plötzlich merkten wir, daß Ruth in der Tür stand und uns beobachtete. Sofort stoben wir auseinander.
    Ich wurde rot. »Sie wollte auch boxen lernen«, stammelte ich ziemlich lahm. Ich konnte fühlen, wie meine Ohrläppchen brannten.
    »Ein richtiger Gene Tunney, wie mir scheint«, sagte Ruth sarkastisch. »Martin möchte mit dir sprechen.«
    Ich streifte die Handschuhe ab und reichte sie Julie. Dann folgte ich Ruth in Martins Zimmer. Mit einem nassen Handtuch über dem Auge lag er auf seinem Bett.
    »Schade, daß das passiert ist, Frankie. Aber komm doch morgen beim Geschäft meines Vaters vorbei. Dann können wir uns wieder verabreden.«
    »O. k., Marty. Tut mir leid, daß ich so hart zugeschlagen habe. Bis morgen dann.« Ich drehte mich um und verließ das Zimmer.
    Ruth folgte mir bis an die Wohnungstür. »Gute Nacht, Ruth.«
    »Gute Nacht«, sagte sie. Als sie die Tür schon halb geschlossen hatte, setzte sie hinzu: »Würdest du mir wohl einen Gefallen tun?«
    »Gewiß«, sagte ich.
    »Dann halte dich von meinem Bruder fern. Du bist gemein und verdorben, und du wirst ihn auch bloß verderben.« Wütend stieß sie die Worte hervor und knallte die Tür hinter mir zu.
    Langsam ging ich den Korridor entlang.
    »Pst!« hörte ich jemanden zischen. Ich drehte mich um. Julie stand vor einer anderen Tür.
    »Komm her«, flüsterte sie heftig gestikulierend. Die Tür führte in die Küche, und hinter der Küche lag ein kleines Zimmer, das von der übrigen Wohnung völlig getrennt war. Julie schloß die Tür hinter uns.
    »Das ist mein Zimmer«, flüsterte sie. Sie knipste das Licht aus, schloß mich in die Arme und küßte mich. Sie bewegte ihre Zunge in meinem Mund, ihre Hände hatte sie gegen meinen Körper gepreßt. Ich ließ meine Finger über ihren Leib gleiten. Plötzlich sank sie auf das schmale Bett.
    »Du bist so stark«, flüsterte sie. »Du darfst mir nicht weh tun. Bitte, tu mir nicht weh.« Und nach einer Weile: »Tu mir weh, bitte, tu mir weh... «
    Es war Mitternacht, als ich sie verließ. Ich wanderte durch die nassen Straßen und fühlte mich wie ein Mann. Aber ich war ein Dummkopf. Ich war noch nicht vierzehn, zu groß für mein Alter und zu groß für meine Kniehosen.
    Keoughs Lokal war sonntags geschlossen. Als Meßdiener mußte ich während sämtlicher Messen in der Kirche sein. Nach der letzten Messe, gegen zwölf Uhr, ging ich dann meist zum Mittagessen ins Waisenhaus zurück. Für den Rest des Tages verdrückte ich mich. Manchmal sah ich mir einen Film an, und manchmal schlich ich mich auf den Sportplatz und sah den Basketballspielern zu. An diesem Sonntag aber würde ich zu Jerry gehen und seinen Vater kennenlernen. Ich hatte es ihm versprochen.
    Als ich Jerry zum erstenmal begegnete, wurde sein Vater gerade zum Bürgermeister gewählt. Ich wußte nicht recht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Er war ein liebenswerter, freundlicher Junge, der nie dahinterkam, daß der wirkliche Grund für seine Versetzung aus einer Privatschule in die Waisenschule politischer Natur war. Ich mochte ihn gut leiden.
    Um die aufkommende Sympathie zu erproben, schlug ich ihm einen Boxkampf vor. Mitten in diesem Kampf - der zu nichts führte, da wir gleichwertig waren - ließ ich die Fäuste sinken und sagte: »Zum Teufel - du gefällst mir.«
    Er gab mir die Hand und sagte: »Das freut mich. Du gefällst mir nämlich auch.«
    So wurden wir enge Freunde. Das war im vergangenen Jahr. Und jetzt wollte er mich seinem alten Herrn vorführen, damit ich mit aufs Land gehen konnte. Er hatte vor der Kirche auf mich gewartet.
    »Fertig, Frankie?« fragte er lächelnd.
    »Ja«, grunzte ich.
    »O. k. Worauf warten wir dann noch? Los, komm!«
    Ein Butler öffnete uns. »Guten Tag, Master Jerry«, sagte er.
    »Robert«, fragte Jerry, »wo ist Vater?«
    »In der Bibliothek. Er erwartet Sie«, sagte der Butler.
    Ich folgte Jerry in die Bibliothek. Sein Vater lächelte uns freundlich zu. Mir fiel auf, daß Jerry ihm sehr ähnlich sah, wenn er lächelte. Aber Jerry hatte den sensiblen Mund seiner Mutter und ihre sanfte Art.
    »So, da bist du ja, mein Sohn«, rief sein Vater. »Wir haben mit dem Essen auf euch gewartet.«
    »Vielen Dank, Vater«, sagte Jerry und stellte mich

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