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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Haus. Derselbe komische Fahrstuhlführer, der mich beim allerersten Mal nach oben gebracht hatte, war wieder da. Während der ganzen Fahrt betrachtete er mich neugierig.
    Bei Ruths Wohnung drückte ich auf den Klingelknopf. Ich hörte, wie die Glocke hinten in der Wohnung anschlug. Ich wartete. Es schien mir wie eine Ewigkeit. Aber schließlich öffnete sich die Tür. Ruth stand vor mir.
    Wir starrten uns an, fast wie zwei Fremde - als hätten wir uns nie zuvor gesehen.
    »Ruth!« sagte ich schließlich und wagte es nicht, mich vom Fleck zu rühren.
    Plötzlich lag sie in meinen Armen. »Frankie! Frankie!« rief sie unter Tränen.
    Die Tür schloß sich hinter uns. Wir standen im trüben Licht des Korridors. Ihr Kopf lag an meiner Brust. Ich streichelte ihr sanft übers Haar. »Ruth, Ruth, es ist alles vorbei! Wein doch nicht, Liebste.«
    »Frankie, ich habe gedacht, du würdest nie zu mir zurückkommen.«
    »Ich hatte es dir versprochen, Ruth, ich hatte es dir doch versprochen.«
    Sie hob den Kopf. In ihren Augen lag ein seltsames Leuchten. Ich küßte ihre zitternden Lippen.
    »Liebster, Liebster!«
    »Ich hatte Angst, daß du es dir anders überlegen würdest, Ruth. Ich hatte solche Angst.«
    Sie erstickte meine Worte mit einem Kuß.
    Arm in Arm gingen wir ins Wohnzimmer. Wir setzten uns auf das große Sofa. »Es ist der letzte Tag im Juni, Frankie«, sagte sie.
    »Deshalb bin ich ja hier«, flüsterte ich. »Ich habe dir doch gesagt, daß du eine Juni-Braut sein würdest. Pack deinen Koffer. Wir fahren nach Meriden und lassen uns da trauen.«
    Sie rückte von mir ab bis zum anderen Ende des Sofas, wo die Zigaretten in einer Porzellandose auf einem Tischchen standen. Ihr Gesicht hatte einen Ausdruck erzwungener Ruhe, als sie sich eine Zigarette nahm. Ich gab ihr Feuer. Sie sah mir dabei fest in die Augen.
    Ich wartete darauf, daß sie etwas sagte. Sie zog ein paarmal tief den Rauch der Zigarette ein.
    »Nein, Frankie«, sagte sie schließlich ganz ruhig, »wir werden nicht heiraten.«
    Jetzt war es an mir, Ruhe vorzutäuschen. Ich zündete mir eine
    Zigarette an. Dann sagte ich nur: »Warum nicht?«
    »Weil du mich nicht liebst.« Sie hob die Hand, um mich am Sprechen zu hindern. »Du liebst mich nicht wirklich. Es ist nur ein Teil des Planes, den du dir gemacht hast - genauso wie das Abkommen, das du mit Jerry getroffen hast. Du willst mich nur heiraten, um den Schritt von einer Phase deines Lebens in eine andere zu besiegeln. Du bist bereit, dir den Mantel der Ehrbarkeit umzuhängen, und du möchtest, daß ich diesem Gewand gewissermaßen den letzten Schliff gebe.
    Du hast nichts dazugelernt. Du glaubst in Wirklichkeit gar nicht an das, was du jetzt tust. Du tust es nur, weil du genau weißt, daß du erledigt bist. Du versuchst, aus einer verfahrenen Angelegenheit das Beste zu machen. Jerry hat uns erzählt, was du mit ihm verabredet hast, und ich habe nicht lange dazu gebraucht, um mir ein Bild von der ganzen Geschichte zu machen. Du mußt endlich lernen, daß du mit Menschenleben keine Geschäfte machen kannst.«
    Ich unterbrach sie. Meine Stimme war immer noch ruhig. »Liebst du mich?« fragte ich.
    Sie blickte mich an. Ihr Gesicht war sehr blaß geworden. »Ob ich dich liebe?« fragte sie. »Ich habe dich, seit wir Kinder waren, so sehr geliebt, daß ich nachts vor Sehnsucht nach dir nicht schlafen konnte, daß ich damals, als wir nicht wußten, wo du warst, immer von dir geträumt habe, daß ich in all diesen letzten Monaten nur den einzigen glühenden Wunsch hatte, mich dir hinzugeben - ich wollte ein Kind von dir.« Ihre Stimme klang gequält und zitterte vor Bewegung. »Das ist es, warum ich nicht bloß ein Teil deiner Pläne sein will. Das ist es, warum ich dich nicht heiraten will.«
    Ich drückte meine Zigarette aus und packte Ruth hart bei den Schultern. Ich preßte meine Finger in ihre Arme. Sie gab keinen Laut von sich, sondern blickte mir nur ins Gesicht. »Du blöder, kleiner Dummkopf!« Ich war maßlos wütend. Ich spürte, wie der Puls in meiner Stirn hämmerte. »Vielleicht war's am Anfang so. Aber siehst du denn nicht, daß ich das, was ich getan habe, für dich getan habe - daß ich deinetwegen alles über Bord geworfen habe? Glaub bloß nicht, daß ich aus dem Schlamassel nicht herausgekommen wäre, wenn ich das gewollt hätte. Ich hatte ein Dutzend Plätze in den Vereinigten Staaten, wo ich hätte hingehen und die Organisation weiterhin hätte leiten können, ohne daß jemand mich

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