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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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anständig behandelt, dann spielen sie sich gleich als die Herren auf.« Sie brüllte das Mädchen an: »Verdammtes schwarzes Luder! Ich habe dir gesagt, es ist mein Enkel. Schau ihn doch an. Er sieht genauso aus wie ich. Seine Augen - genau wie meine.«
    Das farbige Mädchen blickte mich an. »Wenn Sie es sagen, Miz Mander, dann muß es ja wohl so sein.«
    Die Alte schnaubte triumphierend. »Also gut, es ist nicht mein Enkel. Ich habe ihn heute zum erstenmal gesehen. Aber er wird hier arbeiten, und für alle anderen ist er mein Enkel.« Dann wandte sie sich an mich: »Man kann Mary nichts vormachen. Sie ist schon zu lange bei mir. Wir können dir nichts weismachen, nicht wahr, Mary?«
    »Nein, Miz Mander«, erwiderte Mary und lächelte.
    »Zeig ihm sein Zimmer«, sagte Mrs. Mander. »Und dann bring mir um Himmels willen mein Frühstück! Und mach dieses verdammte Zimmer sauber! Es stinkt!« Sie ging zur Tür und drehte sich wieder nach mir um. »Hast du was gegessen, Frankie?«
    »Ja, Großmutter«, sagte ich.
    »Gut. Dann geh auf dein Zimmer. In einer Stunde rufe ich dich, und dann gehen wir einkaufen.« Sie stolzierte davon und verschwand in einer Tür hinter der Treppe.
    Ich folgte Mary die Treppe hinauf. Das Haus war ruhig. Die Korridore waren matt erleuchtet und wirkten schmutzig. Im dritten Stock öffnete Mary eine Tür. Wir betraten ein kleines Zimmer. Neben dem Fenster, das nach der Straße ging, hingen schwere schwarze Vorhänge. An der Wand stand ein schmales Einzelbett und in einer Ecke ein Waschtisch.
    »Die Toilette ist am Ende des Korridors«, sagte Mary, »und da drüben liegt Mrs. Manders Zimmer. Ich schlafe eine Treppe höher. Die Mädchen sind alle im zweiten Stock.«
    »Vielen Dank«, sagte ich.
    Sie sah mich eine Weile an. »Kommen Sie wirklich aus New York?« sagte sie.
    »Ja.«
    »Aber Sie sind nicht mit ihr verwandt, nicht?«
    »Nein.« Sie verließ das Zimmer. Ich machte die Tür hinter ihr zu.
    Ich zog meine Jacke aus, hängte sie über einen Stuhl und streckte mich auf dem Bett aus. Ich war müde und gleichzeitig unruhig. Ich hatte nicht geahnt, wie schwierig es war, einen Job zu finden.
    In einem Punkt hatte die Alte recht. Die Polypen würden mich hier nicht finden. Wenn die Sache etwas abgeflaut war, konnte ich mich auf die Socken machen und zu meiner Familie fahren. Wie es ihnen wohl ging? Ich konnte mir vorstellen, wie aufgeregt meine Tante war, als sie das Telegramm von Bruder Bernhard bekam und wie mein Onkel sie zu beruhigen suchte. Mrs. Mander hielt mich für einen kleinen Gangster, der mit der Polizei in Konflikt geraten war... komisch... Baltimore... Großmutter... Bordell... keines von den Mädchen vorziehen...
    Ich war gerade am Einschlafen, da öffnete sich die Tür. Mrs. Mander kam herein. Sie hatte sich in Schale geworfen und sah so nett aus wie jede andere alte Dame. Ich war wieder völlig wach und richtete mich auf.
    »Komm, Frankie«, sagte sie, »wir gehen jetzt einkaufen.«
    Ich sprang aus dem Bett und zog meinen Rock an. »O. k.«, sagte ich. »Ich bin fertig.«
    Zuerst gingen wir zum Metzger, dann in ein Lebensmittelgeschäft. Mrs. Mander bezahlte alle ihre Einkäufe bar und ließ sie sich ins Haus schicken. Zuletzt gingen wir zu einem Schneider.
    Ein kleiner Jude eilte herbei. »Ja, Ma'am, womit kann ich dienen?«
    »Haben Sie gute gebrauchte Anzüge?« erkundigte sich Mrs. Mander.
    »Hab' ich gebrauchte Anzüge, fragt sie mich?« rief er händeringend. Er deutete auf eine Reihe von Kleiderständern. »Hab' ich das Beste vom Besten. Wie neu sind sie - kaum angehabt.«
    »Ich hätte gern einen Anzug für meinen Enkel hier«, sagte sie. Wir wühlten eine Zeitlang in den Sachen herum. Schließlich entdeckte sie etwas, was ihr gefiel. »Probier mal diesen an«, sagte sie.
    »Aber, meine Dame«, protestierte der Mann, »von allen Anzügen, die ich in meinem Laden habe, suchen Sie sich den besten aus. Den wollte ich eigentlich für mich selbst behalten.« Er nahm den Anzug vom Ständer und strich glättend mit der Hand darüber. Es war ein schmal gestreifter grauer Cheviotanzug. Ich zog das Jackett an. Um Schultern und Hüften saß es reichlich locker, aber die Ärmel paßten.
    »Er paßt ihm wie angegossen«, sagte der Mann und klopfte mir auf die Schultern. »An den Schultern werde ich vielleicht ein wenig abnehmen. Aber im übrigen - perfekt.«
    »Wie teuer?« fragte sie.
    »Zwölf fünfzig. Aber nur für Sie.«
    Sie einigten sich auf neun Dollar.
    »Na, schön«,

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