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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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jetzt an würde ich keine Angst mehr haben.
    An diesem Abend stand ich mit anderen Gefühlen an der Tür. Mir gingen die Augen auf. Ich begann, alles im wahren Licht zu sehen: die Schäbigkeit und den falschen Glanz dieses Hauses; das verstohlene, im Grunde schmutzige Verhalten der Kunden; den schäbigen Hauch von Sinnlichkeit, den die Mädchen ausstrahlten; das gemeine Knarren der Stufen, wenn die Kunden nach oben und nach unten gingen; den trägen Blick der Mädchen, wenn sie ihre Kunden entließen.
    Gegen Mitternacht erschien ein Matrose. Er war offenbar schon häufiger hier gewesen. Er ging mit Jenny nach oben und kam eine halbe Stunde später wieder herunter.
    »Ne richtige Luxusfrau«, sagte er lachend, als er hinausging.
    Ich lachte auch »Tolle Sache, Kumpel.«
    »Du sagst es, mein Junge!« Dann sah er mich genauer an. »Scheinst mir reichlich jung als Rausschmeißer für diesen Saftladen.«.
    »Hat auch die längste Zeit gedauert«, sagte ich. »Ich hau ab.«.
    »Das ist gut«, sagte er und ging..
    Einer plötzlichen Eingebung folgend, stürzte ich ihm nach. »Heda!« rief ich, während ich die Stufen hinabrannte.
    Er drehte sich auf der Straße nach mir um. »Was willst du?« fragte er streitlustig.
    »Stimmt das, was man über die Marine sagt?« fragte ich.
    »Was sagt man denn?«.
    »Daß man die Welt kennenlernt - eine Ausbildung bekommt
    - und -« Ich war ganz aufgeregt.
    Er unterbrach mich. »Sicher. Willst du eintreten?« »Wenn sie mich haben wollen«, sagte ich.
    Er lachte kurz auf. »Und ob sie dich haben wollen. Du wirst es schon merken.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Wieder lachte er. »Laß dich nur anwerben, Junge. Sonst wirst du's nie erfahren.«
    Mir entging der Sarkasmus in seiner Stimme. »Morgen geh ich hin«, sagte ich.
    »Tu das«, sagte er. »Dann wirst du die Welt schon kennenlernen - vom Bullauge aus.« Er wollte weitergehen.
    Ich hielt ihn am Arm fest. »Sie machen Spaß, nicht wahr?« sagte ich.
    Er sah erst mich an und dann das Haus. Plötzlich lächelte er. »Ganz recht, Junge. Ich habe nur Spaß gemacht. Sieh mich an. Ich bin in der ganzen Welt herumgekommen - Europa, China, Südsee. Es ist ein tolles Leben.« Wieder wanderte sein Blick zum Haus. »Und verdammt besser als das, was dir hier blüht.« Damit drehte er sich um und ging davon.
    Ich blickte ihm noch eine Weile nach. Dann ging ich langsam wieder ins Haus. Mein Entschluß stand fest.
    Wie üblich schloß Mrs. Mander um drei Uhr. Während sie das Geld zählte, fragte sie plötzlich: »Worüber hast du denn mit dem Matrosen gequasselt?«
    Im ersten Augenblick dachte ich, sie habe alles gehört - dann machte ich mir klar, daß das nicht möglich war - nicht vom Empfangszimmer aus, während das Klavier spielt.
    »Nichts Besonderes«, sagte ich. »Er hatte seine Brieftasche fallen lassen, und ich gab sie ihm zurück.«
    Sie sah mich einen Moment scharf an, dann langte ich nach ihrer Flasche und schenkte sich ein Glas Gin ein. »Das gefällt mir an dir, Frank. Du bist ehrlich.« Sie leerte ihr Glas. »Nichts bringt ein gutes Haus so rasch in schlechten Ruf wie kleine
    Diebereien.«
    Um zehn Uhr am nächsten Morgen schlenderte ich durch die Tür des Werbebüros der Marine im unteren Baltimore. »Ich möchte in die Marine eintreten«, sagte ich zu dem Sergeant hinter dem Schreibtisch.
    »Handels- oder Kriegsmarine?« fragte er.
    »Kriegsmarine«, sagte ich.
    Er deutete auf einen Stuhl an der Wand. »Setzen Sie sich. Leutnant Ford wird gleich hier sein.«
    Während ich dasaß und wartete, sah ich mir die Plakate an. Dann blätterte ich in einem Heft, in dem das Leben eines Marinesoldaten auf See, an der Küste und an verschiedenen Plätzen geschildert wurde. Endlich erschien der Offizier.
    Der Sergeant grüßte ihn. »Ein Rekrut wartet auf Sie, Sir«, meldete er.
    Der Leutnant, ein junger Mann, blickte zu mir herüber und bat mich, an seinen Tisch zu kommen.
    Er begann in rascher Folge Fragen zu stellen, die ich so schnell beantwortete, wie er sie vorbrachte.
    »Name?«
    »Frank Kane.«
    »Irgendein Mittelname?«
    »Mander.« Ich dachte, man müsse vielleicht einen Mittelnamen haben, um in die Marine zu kommen, und nannte den ersten besten, der mir einfiel.
    »Adresse?«
    Ich gab ihm meine gegenwärtige Adresse. »Wann sind Sie geboren?«
    »Am 10. Mai 1909.«
    »Dann sind Sie jetzt also achtzehn«, sagte er. »Da brauchen Sie die Einwilligung Ihrer Eltern.«
    »Meine Eltern sind tot.«
    »Und Ihr Vormund?«
    »Meine Großmutter.

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