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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Diego wehte, war kühl. Ich schlug den Kragen meiner Jacke hoch und zündete mir eine Zigarette an. Meine Entlassungspapiere steckten in meiner Tasche, und der Seesack mit meinen paar Habseligkeiten lag zu meinen Füßen.
    Ich war froh, daß ich aus der Marine raus war. Nicht, daß ich die Marine für eine schlechte Sache hielt, aber für mich war es nur ein besserer Aufenthalt gewesen als das Waisenhaus, um die Rückkehr zu meinen Verwandten abzuwarten. Vielleicht hatte ich auch nur ein Gefängnis mit einem anderen vertauscht. Aber jetzt war es vorbei, und darüber war ich froh.
    Das Leben bei der Marine war im allgemeinen stumpfsinnig. Die Beschränkungen, die Routine und der bis ins einzelne festgelegte Tagesplan dämpften jede eigene Initiative. Aber möglicherweise hatte es auch sein Gutes für mich. Ich las sehr viel und lernte allerlei. Ich beschäftigte mich mit Mathematik für die Geschützlehre, Buchhaltung für den Dienst als Magazinverwalter, außerdem mit Englisch, Geschichte und Geographie.
    Für mich war das alles jetzt vorbei. Ich zog noch einmal an meiner Zigarette und warf sie fort. Dann warf ich mir den Seesack über die Schulter und ging zum Haupttor. Am Tor reichte ich dem diensthabenden Unteroffizier meine Entlassungspapiere. Er prüfte sie und gab sie mir zurück.
    »O. k., Matrose«, sprach er grinsend. »Auf Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen? Denkste!« sagte ich. »Adieu! Ich bin jetzt raus.«
    »Das sagen sie alle«, meinte er, immer noch grinsend. »Du kommst schon wieder. Sie kommen alle wieder.«
    »Nicht dieses Küken!« entgegnete ich. »Ich geh nach Hause.« Ich ging aus dem Tor zur Bushaltestelle und setzte mich in den nächsten Bus.
    Meine Angehörigen würden sich freuen, von mir zu hören. Ich erinnerte mich an meinen letzten Brief, den ci h von New York geschrieben hatte. Ich hatte damals    einen
    vierundzwanzigstündigen Landurlaub gehabt und war den ganzen Vormittag in der Stadt umhergewandert, weil ich nicht recht wußte, was ich mit meiner Zeit anfangen sollte.
    Plötzlich befand ich mich vor Jerrys Haus. Ohne zu überlegen, rannte ich die Stufen hinauf und läutete.
    Ein Butler öffnete.
    »Ist Jerry zu Hause?« fragte ich.
    »Nein«, sagte er. »Master Jerry ist auf der Universität. Kann ich etwas ausrichten?«
    Ich zögerte einen Augenblick. »Nein«, sagte ich dann und ging die Stufen wieder hinunter, während sich die Tür hinter mir schloß.
    In diesem Augenblick hatte mich das Heimweh richtig gepackt. Da war ich nun in einer Stadt, in der ich mein ganzes Leben verbracht hatte, und nirgendwo gab es eine Menschenseele, mit der ich reden konnte. Mir war hundeelend zumute.
    Ich wanderte durch die Straßen, bis ich zu einem Hotel kam. Ich ging hinein, setzte mich ins Schreibzimmer und begann einen Brief.
    Lieber Onkel Morris, liebe Tante Bertha, Irene und Essie,
    ich möchte Euch rasch ein paar Zeilen schreiben, damit Ihr wißt, daß es mir gutgeht, und ich hoffe dasselbe von Euch.
    Besonders wünsche ich, daß es Onkel Morris wieder besser geht. Es tut mir leid, wenn ich Euch durch mein Weglaufen Sorgen gemacht habe, aber ich konnte nicht mehr im Waisenhaus bleiben, nicht, nachdem ich bei Euch gelebt hatte. Ich bin während der ganzen Zeit bei guter Gesundheit gewesen und habe gearbeitet. Ich hoffe, daß ich eines Tages wieder bei Euch wohnen kann, wenn ich alt genug bin, um nicht mehr ins Waisenhaus zurück zu müssen. Bis dahin macht Euch bitte keine Sorgen um mich, da ich von allem genug habe, einschließlich Geld.
    Ich grüße Euch herzlichst und hoffe, daß es Euch allen gutgeht.
    Frankie
    Als ich den Brief noch einmal durchlas, kam mir eine gute Idee. Ich nahm den Brief, ging zu meiner Bank und ließ mir einen Scheck auf mein ganzes Guthaben ausstellen. Den Scheck legte ich in den Brief und schickte ihn an ihre Adresse ab. Dann ging ich auf mein Schiff zurück und fühlte mich bedeutend besser.
    Aber das alles lag fast zwei Jahre zurück. Nun war ich aus der Marine heraus und wollte zu ihnen nach Arizona fahren. Im unteren Stadtteil von San Diego verließ ich den Bus und ging sofort in ein Hotel. Doch bevor ich mein Zimmer aufsuchte, trat ich an den Tisch, wo man Telegramme aufgeben konnte.
    Ein Mädchen kam mit einem Telegrammformular und einem Bleistift herbei. Ich beugte mich über den Tisch und begann, vor mich hinlächelnd, zu schreiben. Von jetzt an würde alles wieder in bester Ordnung sein. Ich war im Begriff, nach Hause zu fahren, und ich hatte

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