Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
mich und ging weiter in die Küche. Nach kurzer Zeit erschien sie wieder an der Tür. »Kann ich hereinkommen?« fragte sie fast unterwürfig.
    »Ja«, sagte ich, immer noch in meine Zeitung vertieft.
    »Du bist doch nicht etwa noch sauer wegen gestern?« fragte sie weinerlich. Sie setzte sich mir gegenüber und spreizte ihre Beine so, daß ich eine gute Portion ihrer Oberschenkel sehen
    konnte.
    »Nein«, sagte ich. »Das war nur ein Mißverständnis.« Ich blätterte die Seite der Zeitung um.
    »Das war es tatsächlich«, sagte sie rasch. Sie stürzte sich förmlich auf das Wort. »Ein Mißverständnis.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Ich möchte nicht, daß du sauer bist. Du weißt, was ich meine, ja?« Sie spreizte ihre Beine noch weiter auseinander.
    Ich wußte, was sie meinte.
    »Wenn du irgendeinen Wunsch hättest -«, fragte sie zögernd, während sie mir einen gründlichen Blick gestattete.
    »Nein«, sagte ich, »reden wir nicht mehr davon. Wir werden jetzt keinen Ärger mehr miteinander haben.«
    Sie stand auf. »Also, denk dran - jederzeit.« Dann ging sie in die Küche, um zu frühstücken.
    Ein paar Minuten später kam Mrs. Mander nach unten. Sie stürzte sich gleich auf den Likörschrank und goß sich einen ein. Dann wandte sie sich an mich. »Guten Morgen. Bist ja früh auf. Konntest du nicht schlafen?«
    »Ich stehe immer früh auf«, sagte ich.
    »Gefrühstückt?«
    »Ja.«
    Sie ging in die Küche.
    Jenny war die letzte, die erschien. Sie war als einzige vollständig angezogen. Die anderen trugen alle Morgenmäntel oder Kimonos, aber sie hatte ein Kleid an, ein graugeblümtes Kleid. An ihrem Hals glänzte ein kleines goldenes Kreuz.
    Sie kam direkt ins Zimmer marschiert. »Guten Morgen«, sagte sie.«
    »Hallo.«
    »Schon gefrühstückt?« fragte sie.
    »Ja.«
    Sie kam unbekümmert auf mich zu, wobei sie sich ein wenig in den Hüften wiegte. »Heute morgen fühle ich mich wohl. Ich glaube, ich gehe zur Messe. Kommst du mit?«
    »Nein«, sagte ich kurz angebunden. Wie konnte jemand aus einem solchen Haus in die Kirche gehen?
    »Warum nicht?« sagte sie. »Es würde dir guttun.«
    Ich brauste auf. »Laß mich in Ruhe. Es ist mir schnuppe, ob du zur Messe gehst oder zur Hölle fährst, aber mach, daß du hier rauskommst!«
    Sie lachte glücklich, wandte sich um und ging zur Tür. »Ich werde in die Hölle kommen«, sagte sie, immer noch lächelnd. »Du auch. Wir alle. Wart's nur ab.« Damit verließ sie das Zimmer.
    »Worüber habt ihr denn gesprochen?« erkundigte sich Mrs. Mander, die inzwischen wieder ins Zimmer gekommen war. Ich hörte, wie die Haustür zugeschlagen wurde.
    »Über die Hölle, Großmutter«, sagte ich.
    »Aha«, meinte sie und goß sich wieder einen Schluck Gin ein. »Jenny redet dauernd davon. Sie gehört zu diesen Katholiken, die glauben, daß sie für ihre Sünden büßen müssen - hier und im Jenseits. Du bist doch nicht katholisch, wie?«
    »Nein«, sagte ich.
    Sie wollte ihr Glas zum Mund heben, hielt aber inne, als sei ihr plötzlich etwas eingefallen. »Hör mal«, sagte sie, »mir ist so, als hätte ich in der Nacht jemanden stöhnen hören. Sie hat dich doch nicht etwa dazu gebracht, sie zu schlagen, wie?«
    »Du liebe Zeit, nein!« sagte ich.
    Mrs. Mander sah mich prüfend an. Ich sah wohl etwas überrascht aus. »Natürlich, das konnte sie ja auch gar nicht. Sie hatte ja einen Kunden für die ganze Nacht.« Sie trank ihr Glas aus. »Nun, wenn sie dich jemals darum bittet«, sagte sie langsam und haßerfüllt, »dann hoffe ich, daß du sie nach Strich und Faden verprügelst - diese perverse Nutte!«
    Ich blickte Mrs. Mander mit undurchdringlicher Miene an. Dieses Haus wurde mir von Minute zu Minute verhaßter.
    Es war Donnerstagabend, als ich eine Entscheidung über meine Zukunft traf. Die wenigen Tage, die inzwischen vergangen waren, waren verhältnismäßig ruhig verlaufen. Ich war von den anderen im Haus akzeptiert worden: Sie hatten ihren Platz, ich meinen. Mehr oder weniger respektierte jeder das Privatleben des anderen. Ich war ruhelos und unzufrieden, und ich wurde den Gedanken nicht los, daß dies nur eine andere Form von Zuhälterei war.
    Donnerstagnachmittag saß ich im Wohnzimmer, las die Zeitung und rauchte eine Zigarette. Draußen fiel ein verdrießlicher, trostloser Regen. Mrs. Mander war mit einem der Mädchen ins Kino gegangen. Ich hatte mir gestern den Film angesehen. Auf dem Rückweg vom Kino kam ich an einem Werbebüro für die Marine vorbei. Ich blieb vor

Weitere Kostenlose Bücher