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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Versprechen.«
    Ein Polizist rannte herbei und versuchte, ihn zurückzuhalten. Tom packte den Polizisten am Hals und begann, ihn zu würgen. Das Gesicht des Polizisten war kreidebleich im Schein des Feuers. »Du bist der erste!« schrie Tom wie ein Besessener. »Du bist der erste, aber du wirst nicht der letzte sein! Jeder einzelne von euch gottverdammten Schweinen soll es büßen!«
    Der farbige Polizist, mit dem wir zuerst gesprochen hatten, eilte herbei und bemühte sich, Tom von dem anderen Polizisten loszureißen. Schließlich trat er zurück, nahm seinen Gummiknüppel und ließ ihn auf Tom niedersausen. Tom sackte zu Boden wie ein gefällter Ochse. Der andere Polizist schnappte erleichtert nach Luft.
    Zwei Männer in weißen Kitteln kamen herbei, rollten Tom auf eine Tragbahre und schafften ihn zu einer Ambulanz. Sam und ich liefen zum Fahrer. »Es ist mein Bruder«, sagte Sam. »Kann ich mitfahren?«
    Der Fahrer nickte. »Spring hinten rein.«
    Wir kletterten hinten in die Ambulanz. Der Assistenzarzt, der dort saß, betrachtete mich neugierig. »Sie sehen ja ziemlich verdreckt aus«, meinte er.
    Ich blickte an meinem neuen Anzug hinunter: er war schmutzig, zerrissen und klatschnaß. Ich konnte ihn nie wieder tragen, aber das wurde mir im Augenblick gar nicht klar. Verdattert starrte ich den Arzt an.
    »Sind Sie der junge Mann, der dem Mädchen in das brennende Haus nachgelaufen ist?« fragte der Arzt.
    Ich nickte.
    »Ich glaube, ich sollte Sie mir mal etwas näher ansehen.« Mit diesen Worten zog er sein Stethoskop aus der Tasche. »Ziehen Sie mal Ihren Rock aus.«
    Mechanisch zog ich ihn aus. Ich beobachtete Sam, der neben seinem Bruder saß. Sein Gesicht war wie eingefroren. Die ganze
    Tragweite des Geschehenen war ihm noch nicht zum Bewußtsein gekommen. Er vergoß keine Träne, sondern starrte nur unbeweglich auf Tom herab. Ich glaube, er wußte nicht einmal, daß wir bei ihm in der Ambulanz waren.
    Ich war bis auf die Haut durchnäßt. Die Haut in meinem Gesicht war trocken und brannte, das Haar auf den Handrücken war versengt, und meine Hände fühlten sich heiß an.
    »Sie haben verdammten Dusel gehabt«, sagte der Arzt. »Keine einzige ernsthafte Verbrennung am ganzen Körper.«
    Zwei Stunden später saß ich mit Sam im Korridor des Krankenhauses und wartete, daß der Arzt kam und uns über Tom berichtete. Tom hatte einen tüchtigen Schlag auf den Kopf bekommen, und eine Zeitlang sah es so aus, als ob er nicht durchkommen würde. Wie sich später herausstellte, wäre das besser gewesen.
    Als wir schließlich ins Krankenzimmer geführt wurden, saß Tom aufrecht im Bett und weinte. Dicke Tränen rollten ihm über die Wangen. Sam, der bis zu diesem Augenblick kaum gesprochen hatte, lief zu ihm. »Tom, Tom«, rief er und legte dem älteren Bruder den Arm um die Schulter.
    Tom blickte ihn ohne ein Zeichen des Erkennens in seinen trüben Augen an. Er weinte nur und murmelte undeutliche, unzusammenhängende Worte vor sich hin. Dann stieß er Sam von sich. »Geh weg«, murmelte er. »Ich will meine Mammi haben. Wo ist sie?«
    Ich wandte mich fragend dem Arzt zu.
    Er antwortete, ehe ich etwas sagen konnte. »Ich fürchte, er wird nie wieder der alte sein. Er hat zu viele Schocks erlitten. Die haben ihn durcheinandergebracht. Jetzt braucht er vor allen Dingen Ruhe und abermals Ruhe.«
    Sam stand direkt hinter mir, als der Arzt sprach. Obwohl er uns den Rücken kehrte und Tom anblickte, hörte er jedes Wort. Und da war es um seine Fassung geschehen. Mit Tränen in den Augen und mit Lippen, die vor unterdrücktem Schluchzen zuckten, wandte er sich zu mir.
    »Wein dich aus, Junge«, sagte ich sanft. »Es gibt Zeiten, wo auch Männer weinen.«
    Er setzte sich auf einen Stuhl und legte den Kopf in die Hände. Heftiges Schluchzen schüttelte seinen ganzen Körper. Ich konnte ihm nichts sagen. So legte ich ihm nur verlegen die Hand auf die Schulter. Nach einer Weile beruhigte er sich, und wir gingen auf den Korridor. Wir setzten uns und wußten nicht recht, was wir tun sollten.
    Es mochte eine halbe Stunde vergangen sein, bevor er zu sprechen begann. »Frank«, sagte er, und seine Stimme klang plötzlich älter und reifer, »kannst du mir den Posten verschaffen, den du Tom besorgen wolltest?«
    Ich überlegte einen Augenblick. Dann sagte ich: »Und wie steht's mit der Schule?«
    »Ich werde mir Arbeitspapiere besorgen. Ich bin alt genug, und ich muß etwas unternehmen. Kannst du mir die Arbeit beschaffen?«
    »Ich

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