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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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stromführende Kabel und Drähte in einer gewissen Tiefe unterhalb der Straßenoberfläche liegen müssen. Diese Drähte lagen jedoch nicht in der vom Gesetz vorgeschriebenen Tiefe, sondern einen Meter höher. < Wohlgemerkt, Freunde, einen Meter höher als vorgeschrieben! Dieser eine Meter kann Leben oder Tod für den Mann bedeuten. Dieser eine Meter kann für seine Familie Hunger oder das tägliche Brot bedeuten.
    Ich habe schon mit unseren Rechtsanwälten gesprochen. Sie werden einen Prozeß gegen die Arbeitgeber anstrengen und dafür sorgen, daß der Mann zu seinem Recht kommt.«
    Die Leute begannen zu klatschen, aber er hob die Hände, um sie zur Ruhe zu bringen. In dieser Haltung, die Hände hoch über seinem Kopf, wirkte er fast wie ein Prophet.
    »Freunde«, fuhr er fort, »die Frau dieses Mannes ist heute abend hier bei uns. Die Entschädigung, die sie erhält, wird kaum ausreichen, daß sie ihre Kinder ernähren kann. Sie reicht bestimmt nicht für die Miete, die Gas- und Lichtrechnung. Ich weiß, daß Sie es sich kaum leisten können, ihr mit ein paar
    Cents aus Ihren mageren Taschen zu helfen. Aber ich möchte, daß Sie es dennoch tun.
    Die Partei    wird    die Rechtskosten    für diesen    Prozeß
    übernehmen. Aber Sie sind so anständig, das weiß ich, daß Sie sich ein wenig einschränken und dafür der Frau und den Kindern dieses Mannes helfen. Denken Sie daran, daß das, was diesem Manne zugestoßen ist, auch Ihnen passieren kann. Und was einem von uns geschieht, das trifft uns alle.
    Wir müssen    alle    an einem Strang    ziehen. Wir    müssen
    gemeinsam kämpfen.«
    Seine Stimme wurde ruhiger, entschlossener, sicherer.
    »Wir haben das Recht, zu leben, zu arbeiten und zu essen. Aber wir werden dieses Recht nicht erringen, wenn wir nicht bereit sind, an    die    Öffentlichkeit zu gehen und es    uns zu
    verschaffen. Denken    Sie daran: je stärker    die Partei ist,    je mehr
    Mitglieder sie hat, um so mehr wird man die Forderung nach unseren fundamentalen Rechten anerkennen. Ich möchte, daß Sie alles tun, um neue Mitglieder zu werben. Ich möchte, daß Sie unsere Zeitung und unsere Literatur verkaufen oder auch verschenken. Aber vor allen Dingen möchte ich, daß Sie sich voll und ganz hinter diesen Klub stellen, damit auch der Klub sich in seiner ganzen Stärke hinter Sie stellen kann.«
    Er stieg vom Tisch und wurde sogleich von einer schwatzenden Menschenmenge umringt.
    Ich blickte zu dem Mädchen, das neben mir saß. Ich hatte nie besonders viel von ihr gehalten. Ich hatte überhaupt die Mitglieder dieses Klubs nie besonders hoch eingeschätzt. Harry hatte oft gesagt, daß die meisten von ihnen auch dann nicht arbeiten würden, wenn sie die Möglichkeit hätten. Aber jetzt war ich dessen nicht mehr so sicher.
    Die Augen des Mädchens leuchteten. Ihr Gesicht war blaß, so daß Rouge und Lippenstift wie Farbkleckse hervortraten. Sie wandte sich zu mir. »Los«, sagte sie. »Sie haben doch Arbeit.
    Nun blechen Sie mal!« Sie hielt mir ihre Hand hin.
    Ich zog fünfundzwanzig Cents aus der Tasche.
    »Sie können mehr geben«, sagte sie. »Ich möchte einen Dollar.«
    Lachend gab ich ihr einen Dollar. »Ich denke, Sie haben gesagt, diese Veranstaltung sei frei, und dabei zahle ich hier genausoviel wie woanders.«
    »Sie schmutziger Filz«, sagte sie. »Möchten Sie in der Lage des Mannes sein?« Sie nahm den Dollar und gab ihn dem Mann, der gerade die Rede gehalten hatte.
    Offenbar fragte er sie, woher sie ihn habe, denn sie deutete auf mich.
    Er machte sich aus der Menge frei und kam auf mich zu. »Vielen Dank für Ihre Gabe«, sagte er und reichte mir die Hand. »Es ist mehr, als irgendein anderer gegeben hat.«
    »Ich habe Arbeit«, sagte ich und schüttelte ihm die Hand.
    »Die anderen hier würden auch gern arbeiten, wenn sie die Möglichkeit hätten«, erwiderte er ernst.
    »So habe ich es nicht gemeint. Ich wollte nur sagen: ich kann es mir leisten.«
    »Sie sind neu hier, nicht wahr? Ich habe Sie jedenfalls noch nie gesehen.«
    »Mein Name ist Frank Kane. Ich arbeite unten im Laden.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte er lächelnd. »Ich hoffe, Sie öfter hier zu sehen.«
    »Bestimmt«, sagte ich höflich.
    Er lächelte mir noch einmal zu und ging.
    Das Mädchen kam zu mir zurück. »Ich sehe, Sie haben eben mit Gerro geredet.« Sie sagte es in einem Ton, als hätte ich mit dem lieben Gott gesprochen.
    »Ja«, sagte ich. »Wenn

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