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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Ranges!
    Wir gingen schweigend in die Küche. An der Tür hielt sie mich an.
    »Nochmals vielen Dank, Mister.«
    »Nichts zu danken, Lady. Höflichkeit ist unser Motto.«
    Ich ging die Treppe hinunter und trat auf die Straße. In einiger Entfernung sah ich das kleine Mädchen. Ein Mann lief auf die Kleine zu, hob sie auf und schwenkte sie hoch in die Luft.
    »Vati, Vati!«
    Er tanzte mit ihr herum. »Laurey«, rief er, »Vati hat Arbeit!«
    Ich ging an ihnen vorüber. »Herzlichen Glückwunsch, Mike!« sagte ich. »Sie haben mehr als das.« Und ging weiter.
    Er blickte mir nach und kratzte sich den Kopf. Wahrscheinlich überlegte er, ob er mich kannte. Dann drehte er sich um und rannte mit seiner Tochter auf dem Arm auf sein Haus zu.
    Ich wurde immer wütender und erregter, als ich zum Laden zurückging. Diese aufreizende Hexe Terry sollte mir dafür büßen. Das nächste Mal, wenn ich mit ihr ausging, würde sie mir nicht so davonkommen. Und so geschah's.
    Am nächsten Morgen kam die Frau, der ich die Lebensmittel überlassen hatte, in den Laden. Sie wandte sich gleich an mich. Das Kind hatte sie bei sich. Sie sah ganz anders aus als am Tag zuvor. In der Art, wie sie den Kopf trug und sich bewegte, war sie viel selbstsicherer. Der mutlose Ausdruck war aus ihren Augen verschwunden.
    »Mein Mann hat Arbeit bekommen«, sagte sie ohne Einleitung. »Könnten Sie mir wohl ein paar Sachen auf Kredit geben? Morgen ist Zahltag.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Ich habe ihn auf der Straße gesehen. Warten Sie einen Augenblick. Ich will den Boss fragen.« Ich ging zu Harry und erklärte ihm die Situation: daß ihr Mann gerade Arbeit bekommen habe und sie gern ein paar Sachen bis zum morgigen Zahltag auf Kredit hätte. Ich schämte mich für das, was ich gestern getan hatte. Das war mir heute morgen erst so richtig zum Bewußtsein gekommen. Und jetzt ging es mir sehr darum, es wiedergutzumachen. Harry sagte, es sei o. k., wenn ich meinte, daß die Leute ehrlich wären.

Ich gab ihr, was sie wünschte. Während ich die Sachen zusammenpackte, versuchte ich, mich für mein gestriges Betragen zu entschuldigen. Ich sprach sehr leise, so daß es niemand außer ihr hören konnte. »Es freut mich, daß Ihr Mann Arbeit gefunden hat.«
    Sie erwiderte nichts.
    »Es tut mir leid wegen gestern«, sagte ich. »Ich weiß gar nicht, wie ich dazu gekommen bin. Aber man hört so mancherlei Geschichten. Man weiß überhaupt nicht, wem man noch trauen kann.«
    »Warum können Sie nicht allen trauen; bis man Ihnen das
    Gegenteil beweist?« sagte sie und errötete.
    Mir war elender zumute als vorher. Aber auf das, was sie sagte, gab es keine Antwort. Ich überreichte ihr das Paket, und sie verließ den Laden.
    Später am Nachmittag kam Terry herein. Sie lächelte mir zu. »Gib mir eine Flasche Katship.«
    »Himmel!« sagte ich. »Ißt du eigentlich nie was anderes?«
    Ich merkte, daß sie nicht verärgert über mich war. Das konnte ich aus ihrem ganzen Verhalten schließen. Ich hätte sie schon längst umlegen sollen, dachte ich, dann wäre ich nie in diesen Schlamassel hineingeraten. Ich nahm eine Flasche Ketchup vom Regal und stellte sie auf die Theke. »Sonst noch was?« fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Ich steckte die Flasche in eine Tüte. »Zehn Cents, bitte.«
    Sie gab mir das Geldstück. »Kommst du morgen zur Versammlung?« fragte sie.
    »Ich werde da sein. Warte auf mich.«
    Sie verließ den Laden.
    Harry kam zu mir herüber. »Wieso gehst du zu diesen Versammlungen?« fragte er. »Das ist doch nur eine Bande von Unterstützungsempfängern. Die meisten von ihnen wollen sowieso nicht arbeiten.«
    »Ich weiß nicht recht«, sagte ich. »Sie machen eigentlich einen ganz anständigen Eindruck. Das Glück ist gegen sie - das ist alles. Außerdem macht mir das Spaß da oben.«
    Er sah mich prüfend an. »Nun sag' bloß noch, du gehst unter die Kommunisten.«
    Ich lachte. »Ich weiß gar nicht, was Kommunismus überhaupt ist. Ich würde einen Kommunisten gar nicht erkennen, wenn mir einer begegnet. Die Leute da oben sehen für mich genauso aus wie andere Leute. Sie wünschen sich offenbar dasselbe wie alle anderen. Sie wünschen sich Arbeit und Essen und etwas Vergnügen. Ich will genau dasselbe, und ich bin kein Kommunist.«
    »Sie glauben an freie Liebe«, sagte er. »Sie halten nichts von der Ehe.«
    »Davon weiß ich nichts. Die meisten sind verheiratet.«
    »Na«, meinte er, »wenn es anständige Leute wären, würden sie ihre Kinder

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