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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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fragen, ob du heute mit mir zu Abend essen willst.«
    »Gern, vielen Dank. Wo wollen wir essen?«
    »Hier bei Marianne.«
    Das hatte ich nicht erwartet. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich wollte nicht dorthin gehen. Ich wollte sie nicht sehen. Das heißt, ich wollte sie schon sehen, aber ich wußte, daß es besser war, wenn ich sie nicht sah. In den letzten Tagen hatte ich viel zuviel an sie gedacht. Es war merkwürdig, wie sie sich in meine Gedanken geschlichen hatte. »Wann?« fragte ich.
    »Gegen halb acht.«
    »Augenblick«, sagte ich. »Da fällt mir gerade was ein. Der
    Lastwagen kommt ja heute abend, und ich muß auf ihn warten. Ich kann nicht kommen. Tut mir leid.«
    »Schade!« Er schien enttäuscht zu sein. »Marianne wollte so gern, daß du kommst. Das ist für uns beide eine Enttäuschung, daß du nicht kannst.«
    Seltsam, wie mir beim Klang ihres Namens das Herz hüpfte! »Sag ihr bitte, daß es mir sehr leid tut. Aber du verstehst doch, nicht wahr?«
    »Ja, natürlich. Na, vielleicht ein anderes Mal.«
    »Ja, ein anderes Mal.« Wir verabschiedeten uns, und ich legte den Hörer auf.
    Nach diesem Anruf war ich in guter Laune. Ich wußte, daß auch sie an mich gedacht hatte. Sonst hätte ich diese Einladung nicht bekommen.
    In der nächsten Woche rief mich Gerro wieder an, und wir aßen zusammen in einem Restaurant an der Vierzehnten Straße.
    »Was willst du jetzt machen?« fragte ich, als wir beim Nachtisch angelangt waren.
    »Ich werde zu einem Klub in der oberen Stadt versetzt«, erwiderte er, »in Harlem.«
    Ich mußte sofort an die Harris' denken. Da oben gab es wirklich viel für ihn zu tun, und er war der richtige Mann dafür.
    »Ja«, sagte er. »Die Organisation glaubt, daß ich da oben unter meinen eigenen Leuten bessere Arbeit leisten könne.«
    »Du hast auch hier unten verdammt gute Arbeit geleistet!«
    »Das habe ich auch gedacht«, meinte er, »aber jetzt bin ich nicht mehr so sicher.«
    Danach trafen wir uns einmal in der Woche, und es wurde jedesmal ein interessanter Abend. Ich freute mich immer darauf.
    Mit Terry kam ich jetzt weniger zusammen. Der Klub hatte zwar fünf Häuserblocks weiter ein neues Quartier bezogen, aber
    ich ging nicht mehr zu den Versammlungen. Seitdem ich Marianne kennengelernt hatte, war mit mir eine Veränderung vorgegangen. Ich spürte allmählich, daß ich mehr von einer Frau verlangte als nur ihren Körper. Terry war ein nettes Mädchen, aber sie hatte nicht das, was ich mir wünschte. Unsere Beziehung hatte mit Liebe nichts zu tun. Sie war rein körperlich.
    An einem Märzabend, als Terry und ich im Flur ihres Hauses standen, küßte ich sie, und sie stieß mich weg. Diesmal drängte ich mich ihr nicht auf. Sie stand da in der trüben Beleuchtung und schaute mich an. Schließlich redete sie.
    »Du hast dich verändert, Frank.«
    Ich lachte.
    »Nein«, sagte sie ernst. »Du hast dich verändert. Ich meine es wirklich. Irgendwas beschäftigt dich.«
    »Nicht, daß ich wüßte«, sagte ich leichthin.
    »Möglich, daß du es nicht weißt, aber es ist so.« Sie sah mich an und versuchte, in meinem Gesicht zu lesen. »Und ich habe auch über manches nachgedacht. Das, was wir miteinander getan haben, das muß aufhören.«
    Ich gab keine Antwort.
    »Ich hatte also recht«, sagte sie, »vor einigen Monaten hättest du dich dagegen aufgelehnt. Jetzt sagst du nichts. Und ich bin froh darüber. Ich hätte Schluß gemacht, auch wenn du es nicht gewollt hättest, denn ich werde heiraten.«
    Sie mißverstand meinen Seufzer der Erleichterung. Ich hatte etwas anderes erwartet.
    »Und zwar den Mann, von dem ich dir schon erzählt habe. Er ist Busfahrer, hat einen recht guten Posten und verdient ungefähr vierzig Dollar die Woche. Er liebt mich, und wenn ich ihn heirate, kann ich aus dieser Bude ausziehen, und dann habe ich alles, was ich will. Wir können auf Long Island wohnen, in einer Etage mit Zentralheizung und nicht in diesem kalten Stall. Ich brauche mir über Rechnungen und über Essen keine Gedanken mehr zu machen. Wir brauchen nicht jeden Groschen dreimal umzudrehen.«
    Ich versuchte, ein unglückliches Gesicht zu machen, aber es fiel mir sehr schwer.
    Sie legte mir die Hand auf den Arm. »Sei nicht allzu traurig, Frank. Es läßt sich nicht ändern.« Sie redete wie das Weib in dem Film, den wir letzte Woche gesehen hatten. »Wir haben viel Spaß miteinander gehabt, und wir wollen uns als Freunde trennen.«
    Ich schaute sie verwundert an. Sie glaubte diesen

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