Die Moralisten
Erregung. »Das war der Dank dafür, daß Sie so freundlich zu Gerro waren.«
Ich legte meine Hände unter ihre Arme und zog sie zu mir herab. »Das war für Gerro«, flüsterte ich. »Das ist für mich.«
Ich küßte sie auf die Lippen. Zuerst war sie zu überrascht, um mich daran zu hindern. Dann aber erwiderte sie meinen Kuß. Sie legte ihre Arme unter meinen Kopf und hielt mein Gesicht dicht an das ihre. Als wir voneinander ließen, flüsterte ich: »Für wen war die Rede bestimmt, die Sie vorhin vom Stapel gelassen haben - für mich oder für Sie?«
Eine Sekunde noch hielt sie mein Gesicht dicht an das ihre. Wir sahen uns in die Augen. Dann richtete sie sich auf. »Du Hund!« flüsterte sie ganz ruhig. »Du gemeiner Hund! Mein erster Eindruck war doch richtig, du bist ein Einbrecher. Ich will dich nie wiedersehen.«
Ich legte mich auf den Bauch und blickte sie an. »Marianne«, flüsterte ich, »würdest du das auch sagen, wenn ich nicht Gerros
Freund wäre?«
Sie ging ohne zu antworten ins Schlafzimmer. Ich legte mich wieder auf den Rücken und blickte, vor mich hinlächelnd, zur Decke. Sie hatte recht. Ich würde sie niemals wiedersehen -jedenfalls nicht, solange Gerro mein Freund war. Es war zu gefährlich für uns beide. Ich mochte sie gern - lieber als irgend jemanden in meinem bisherigen Leben. Es war etwas an ihr - an uns -, was uns zueinander hinzuziehen schien. Ich hatte es auf den ersten Blick gespürt. Und sie auch, das wußte ich. Ich liebte ihre Stimme, ihr bewegliches, ausdrucksvolles Gesicht, ihre Hände mit den langen, sensiblen Fingern. Ich liebte ihre Lippen beim Küssen, besonders wenn sich ihre Mundwinkel ein wenig bewegten. Aber ich würde sie nie wiedersehen, nicht, solange Gerro mein Freund war.
Ich verließ die Wohnung früh am Morgen, noch ehe einer von ihnen wach war. Es war Montag, und ich mußte zeitig an meinem Arbeitsplatz sein. Ich schlüpfte aus der Wohnung wie ein Dieb - wie ein Einbrecher.
Kurz nachdem wir den Laden aufgemacht hatten, erschien Terry. Sie war fuchsteufelswild. »Du wolltest doch gestern abend von dir hören lassen«, sagte sie wütend.
»Das ging nicht«, sagte ich besänftigend. Harry betrachtete uns mit neugierigen Blicken. »Gerro war ziemlich schwer verletzt, und ich bin die Nacht über bei ihm geblieben. Was ist denn noch passiert, nachdem wir fort waren?«
Sie beruhigte sich rasch wieder. »Ich weiß es nicht. Ich habe die Polizei angerufen, wie du gesagt hast, und dann bin ich nach Hause gegangen. Der Klub ist wahrscheinlich zertrümmert. Wie geht es Gerro?«
»Er wird bald wieder o. k. sein. Wir sind über die Dächer entwischt.«
»Was wird mit dem Klub passieren?« fragte sie.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. Wir gingen zusammen auf die Straße und blickten zu den Klubfenstern empor. Die Scheiben waren alle kaputt. Dann gingen wir nach oben. Die wenigen Möbel, die in dem Raum gestanden hatten, waren restlos zertrümmert. Unflätigkeiten waren mit Kreide an die Wände gekritzelt. Wir gingen wieder nach draußen. Terry hatte einen merkwürdigen Ausdruck im Gesicht.
»Jetzt ist wohl alles vorbei«, sagte sie langsam.
»Vielleicht«, sagte ich. »Aber man kann's nicht wissen. Wenn der Klub den Mitgliedern genug bedeutet, wird er wieder eröffnet werden.«
»Ja, wenn er ihnen genug bedeutet.«
Ich war neugierig. »Was bedeutet er dir?« fragte ich. »Was hast du von dem Klub gehabt?«
Sie zögerte ein wenig, ehe sie antwortete. »Es war eine Gelegenheit, Menschen kennenzulernen, Freundschaften zu schließen und sich über alles Mögliche zu unterhalten. Eine Gelegenheit, Leute zu treffen.«
»War es nicht auch eine Gelegenheit, mit anderen zu teilen, was man hatte? War es nicht etwas mehr als nur ein Ort für nette Zusammenkünfte?«
»Ich glaube schon«, sagte sie unsicher.
Ich hatte recht. Die meisten Leute, die in den Klub kamen, wußten überhaupt nicht, worum es ging. Für sie war es nur ein Treffpunkt. Wenn überhaupt etwas dabei herausschaute, so war das einzig und allein das Werk von Leuten wie Gerro. Die gewöhnlichen Mitglieder wußten gar nicht, wie wichtig der Klub für sie war. Ich verabschiedete mich von Terry und ging wieder an meine Arbeit.
Am Mittwoch nachmittag läutete das Telefon. Harry ging an den Apparat. »Für dich«, sagte er und hielt mir den Hörer hin.
»Hallo«, sagte ich.
Ich erkannte Gerros Stimme. »Hallo, Frank. Hier ist Gerro.«
»Wie geht's dir?« fragte ich.
»Danke, ganz gut. Ich wollte nur
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